Wundersame Wandlung

Wundersame Wandlung
Die lasche Wiener Corona-Politik ist Geschichte, jetzt bremst Ludwig beim Aufsperren. Ist sein Zaudern das falsche Signal?
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Jetzt also doch. Nachdem Bürgermeister Michael Ludwig die Wiener lange im Unklaren ließ, kam die erlösende Nachricht: Wien wechselt am 3. Mai im Gleichschritt mit Niederösterreich vom Krisenmodus – vulgo Ost-Lockdown – in den ganz normalen Ausnahmezustand. Die Händler, Friseure und viele Kunden freut es. Doch kaum ist die eine Unsicherheit ausgeräumt, sät Ludwig die nächste. Er dämpfte mit Blick auf das Lockerungspaket samt Gastro-Auferstehung, das der Bund für 19. Mai verkündet hat, erneut die Erwartungen. Der Tenor: Unklar, ob Wien mitmache.

Sendet Ludwig mit seinem Zaudern und Zögern gerade jetzt die falschen Signale an die Bevölkerung, die nach einem Jahr der Pandemie müde und entkräftet ist? Nein.

Ludwig tut das, was er immer tut. Und was er am besten kann. Er überlegt, wägt ab, wartet zu. Das mag Teil seiner politischen Inszenierung sein, es ist aber auch sein Naturell. Dass er so tickt, ist den Wienern nicht neu. Er kommt damit in der Krise, in der es mehr um Stabilität und weniger um Visionen geht, gut an: In Umfragen liegt die SPÖ klar über dem guten Ergebnis vom Wahltag, in der Bürgermeister-Frage kratzt ihr Chef an nordkoreanischen Werten.

Ludwig konterkariert jedenfalls die Strategie der Bundesregierung, die getrieben von der Ungeduld der Menschen oft (zu?) weit in die Zukunft blickt und Versprechungen macht, die die Infektionslage dann nicht hergeben. Was wiegt schwerer? Enttäuschte Hoffnung oder Ungewissheit? Ein schmaler Grat, auf dem zu wandeln derzeit eine hohe politische Kunst ist.

Dass Wien immer wieder Alleingänge plant (und beim Ost-Lockdown mit Niederösterreich und dem Burgenland stritt), ist Teil üblicher föderaler Machtdemonstrationen und wäre an sich kaum der Rede wert. Wäre – hätte Wien da nicht eine wundersame Wandlung vollzogen: Vor einem Jahr noch, es war Wahlkampf, wollte der rabaukenhafte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker mit Laisser-faire punkten. (Die Bundesgärten lassen grüßen!) Inzwischen hat Ludwig dem Stadtrat die Corona-Kommunikation ent- und eine Kehrtwende vollzogen. Bestenfalls ist sie darin begründet, dass man dazugelernt hat: Etwa, dass eine Pandemie im Großstadt-Gedränge anders zu bekämpfen ist als am Land. Bezirke abriegeln, Ausreisetests einführen – das klappt hier nicht. Und wer in beengten Wohnverhältnissen lebt, geht eben nicht in den eigenen Garten, sondern auf öffentliche Plätze. Dass Wien bei PCR-Tests mit „Alles gurgelt“ ein einzigartiges Gratis-Angebot hat, spricht dafür, dass vieles richtig läuft. Freilich nicht alles – siehe langsames Impfen und die Selbstaufgabe beim Contact Tracing.

Wer am Ende richtig lag – die Öffnungs-Befürworter oder die Zauderer –, wird sich an den Zahlen ablesen lassen. An Infektions- und (leider) Todesstatistiken. Aber auch, und dessen muss sich Ludwig bewusst sein, an den Wirtschaftsdaten.

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