Zunächst einmal zum Wort „Wir“. Wer ist dieses Wir? Sind damit die von den meisten Politikern so bezeichneten „lieben Österreicherinnen und Österreicher“ gemeint, definiert es sich also über den Staatsbürgerschaftsnachweis? Oder sollten wir heute von „Österreicherinnen, Österreichern und allen, die in Österreich leben“ (© VdB) sprechen? Macht also der Österreicher Österreich aus oder der in Österreich lebende Mensch? Ticken wir inklusiv, auch wenn wir uns exklusiv fühlen? Oder ist Österreich überhaupt primär dort, wo es nur Gegend gibt?
Das führt uns schon zu einem Berg von Widersprüchen. Wir (also Teile von uns) grenzen uns gern ab, halten – wie die meisten Nationen – jede Form von Bedrohung am liebsten draußen aus unserem austriakischem Homeoffice, freuen uns aber tief im Inneren doch über Diversität (wenn schon nicht in der Bevölkerung, dann zumindest kulinarisch). Was allerdings divers ist, bestimmen wir selber.
Wir lieben unsere Nachbarn, wollen aber im Regelfall möglichst wenig mit ihnen zu tun haben. Die durch das Virus verordnete Distanz kommt dem Österreicher also zupass. Wir sind mit dem Babyelefanten aufgewachsen, Abstand liegt uns im Blut. Und auch die Maskerade.
Wenn wir das Wir noch näher betrachten, fällt auf, dass in einer unserer Städte sehr viele Bestandteile davon leben. Auch da legt Corona nur offen, was immer da war: den Konflikt zwischen zwischen dem Wiener- und dem Nicht-Wiener-Wir. Jenseits der Hauptstadt freut man sich ja nur selten ehrlich, wenn man eines Wieners ansichtig wird. Wenn der Wiener jedoch gar nicht kommt, ist’s auch nicht leiwand.
Aber nicht nur geografisch, sondern auch psychologisch hat unser Wir viele Facetten. Wir sind stolz auf unsere Kultur, schimpfen aber über viele Kulturschaffende und passen auf, dass sie nicht zu groß werden, zumindest dann nicht, wenn sie von hier sind. Wir rufen nach klaren Vorgaben der Regierung, wollen uns aber keinesfalls etwas sagen lassen. Wir empfinden uns, als gäbe es noch eine Monarchie, als große Nation und durchaus überlegen, schätzen aber die Beschaulichkeit und unsere Minirolle in der Weltpolitik. Wir wollen im Sport Nummer 1, also im Fußball, spitze sein, sind es aber nur beim Skifahren. Bei Erfolgen schwingen wir Fahnen, finden diese aber grundsätzlich – im Gegensatz zu Amerikanern oder Franzosen – eher peinlich.
Wir kritisieren Österreich, akzeptieren aber keine Kritik daran (außer von uns). Wir bleiben am liebsten daheim (passt auch gut zu Corona), fahren aber besonders gerne weg.
Wir sind wir (meist mit „m“ geschrieben), schämen uns durchaus dafür, während wir gleichzeitig stolz darauf sind.
Ganz ironiefrei: Insgesamt ist es gar nicht übel hier.
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