Neue EU-Führung: Wer hat den Plan für die nächste Krise?

In Athen tritt ein Linker ab, der der Brüsseler Logik trotzte. Zieht die neue EU-Spitze Lehren daraus?
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Als linker Gottseibeiuns hat Alexis Tsipras einst die europäische Bühne betreten, als wohlgelittener EU-Partner verlässt er sie nun wohl. Der Rebell, der die kalte Logik der Brüsseler Sparmeister herausgefordert hatte, hat sich in einen politischen Pragmatiker verwandelt.

Bei den heute abgehaltenen vorgezogenen Neuwahlen wird er voraussichtlich von seinem konservativen Herausforderer abgelöst. Der verspricht die sozialen Wohltaten, die sich Tsipras dann doch nicht leisten wollte. Ein Ende, so verrückt und gegen jede politische Logik wie die gesamte Griechenlandkrise.

Hunderte Milliarden hat Europa aus dem Hut gezaubert, weniger um das Land als seine Banken zu retten, die die Kredite für den wirtschaftlichen Aufschwung geliefert hatten, der sich zuletzt als Luftblase herausstellen sollte.

Was aber hat sich geändert, seit die EU am Streit um die Griechenland-Milliarden und die begleitenden wirtschaftspolitischen Zwangsmaßnahmen fast zerbrochen ist? In Griechenland selbst ist die Krise eher eingeschlafen als erfolgreich gelöst.

Noch immer fehlt es vor allem an Jobs und Zukunftsperspektiven für die Jungen, die auch heute zu Hunderttausenden das Land verlassen – ganz so wie einst, als Udo Jürgens in „Griechischer Wein“ genau darüber sang.

Herkömmliche Logik greift nicht mehr

Die EU druckt weiterhin frisches Geld und verteilt es per Nullzinspolitik großzügig an eine Wirtschaft, die damit nicht allzu viel anzufangen weiß. Wenn nun eine neue EU-Führungsmannschaft antritt, mit der als Freundin dieser Nullzinspolitik bekannten Christine Lagarde an der Spitze der EZB, ist ein Kurswechsel nicht in Sicht.

Doch in welche Richtung sollte man auch steuern. Wenn es überhaupt eine Lehre aus der fast vergessenen Finanzkrise und den Jahren danach gibt, dann jene, dass herkömmliche finanzpolitische Logik nicht mehr greift. Wo ist die Inflation geblieben, die die konservativen Sparmeister ständig als Menetekel an der Wand sahen?

Wo ist die stabile wirtschaftliche Entwicklung, die überzeugte Anhänger des Schuldenmachens mit Milliarden in armen Südländern wie Griechenland herbeizaubern wollten? Wo bleibt die große Krise, die doch nach der etablierten Mechanik der Konjunkturzyklen längst da sein sollte? Und vor allem, wie kann man dann gegensteuern, wenn es keine Zinsen mehr zu senken gibt?

Die Antworten, die uns Experten dazu anbieten, wirken oft eher von politischen Überzeugungen als von wirtschaftlicher Logik getrieben. Doch die Menschen in Griechenland stellen sich solche Fragen ohnehin nicht.

Die wollen nur wissen, wann sie endlich in der Mitte Europas angekommen sind, wo man ihnen schon vor Jahrzehnten einen Platz versprochen hat. Und solange sie den nicht bekommen, bleibt das gemeinsame Haus Europa ein Stehsatz für Staatsmänner auf EU-Gipfeln.

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