Weltmeister in der Bruchbude: Der ÖFB braucht ein neues Zuhause

Weltmeister in der Bruchbude: Der ÖFB braucht ein neues Zuhause
Das Loch ist gestopft. Perfekter Anlass, um das Happel-Stadion zu verabschieden. Ein perfektes Vorbild steht in Frankreich.
Andreas Heidenreich

Andreas Heidenreich

Dass Ralf Rangnick beim ÖFB einige Steine umdrehen würde, war von Anfang an klar. Dass er sich auch nach einer Woche im Amt in der Stadionanfrage einbringt, muss deshalb nicht zwingend überraschen. Und es ist ihm offenbar ein Anliegen. Der Teamchef war eigentlich schon fertig mit seinen Ausführungen, als er bei der Pressekonferenz vor dem Spiel am Freitag gegen Frankreich von selbst noch einmal das Wort ergriff: "Und außerdem gibt es ja in Wien noch zwei andere Stadien, die sich für Länderspiele anbieten würden", sagte der Deutsche in Richtung Hütteldorf und Favoriten.

In der Tat muss sich der ÖFB nach Alternativen umsehen, wenn am 9. Oktober die Auslosung der EM-Qualifikation erfolgt. Das Ernst-Happel-Stadion hat in dieser Woche einen letzten notwendigen Beweis geliefert, dass es außer seinem perfekten Standort nichts mehr zu bieten hat. Und Ralf Rangnick wird beim ÖFB Gehör finden, wenn er künftig lieber in einem vollen Stadion mit 17.000 oder 25.000 Plätzen spielt, als in der stimmungsleeren Schüssel im Prater. Dazu könnte der Fußball-Bund etwa mit den 41-VIP-Logen in Hütteldorf auch Verluste kompensieren, die durch die geringere Stadionkapazität entstehen würden.

Wer glaubt, Rangnick würde nicht wissen, dass er mit seinen Worten in ein Wespennest sticht, kann das tun. Der 63-Jährige ist generell ganz gut informiert und obendrein ziemlich schmerzbefreit. Wenn es stimmt, dass das ÖFB-Team in den modernen Stadien der Wiener Großklubs nicht willkommen ist, weil deren harter Fan-Kern auf Exklusivität pocht, wird ihm das vermutlich egal sein. Dass beide Arenen zu einem guten Teil mit Steuergeld finanziert wurden, muss als Argument reichen.

Die (Millionen-) Stadt Wien wiederum wäre gut beraten, einen Blick in das Land des heutigen Gegners Frankreich zu werfen. Im 250.000-Einwohner-Städtchen Lille steht ein Fußballstadion mit 50.000 Plätzen, das innerhalb einiger Stunden in eine Indoor-Mehrzweckarena für Tennis, Basketball oder Konzerte transformiert werden kann. Mit einem Dach, das sich innerhalb von nur 30 Minuten schließen lässt. Kostenpunkt rund 300 Millionen Euro. Wer da lieber um 250 Millionen (kolportiert wird gar eine Kostenexplosion auf bis zu 750 Millionen) eine reine Mehrzweckhalle in St. Marx für 20.000 Besucher aus dem Boden stampft, der braucht sich auch nicht zu wundern, wenn das Nationalteam künftig öfter nach Salzburg oder Klagenfurt ausweicht.

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