Warum es in der Krise mehr transparenten Journalismus braucht

Warum es in der Krise mehr transparenten Journalismus braucht
Die Medienkonsumenten orten immer öfter dunkle Verschwörungen. Es gibt eine Antwort darauf: Einen ehrlichen Dialog

Ein Blick ins Postfach. Da häufen sich in letzter Zeit wieder Mails wie dieses von Herrn N. aus Weiz: „Warum berichten sie nicht endlich, dass die Maske nicht schützt, sondern uns alle mundtot machen soll. Ein Maulkorb, sonst nix.“ Auch das sind die Symptome von Corona – insbesondere dieser selbst in persönlichen Gesprächen oft wiederkehrende Satz: „Aber das dürfen´s eh nicht sagen und berichten.“

Schlagartig fühle ich mich in den Herbst 2015 zurück versetzt als diese Sätze – eher Anschuldigungen – in Wutpostings und Mails rund um die große Fluchtbewegung im Postfach überhand nahmen. „Lügenpresse!“ Offensichtlich sind Misstrauen und Skepsis gegenüber Medien bei einem Teil der Bevölkerung keine einmalige Begleiterscheinung außergewöhnlicher Ereignisse wie zuletzt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique für profil zeigte. Menschen, die Politikern, Institutionen und in unserem Fall Medien nicht (mehr) trauen. Selbst eine „Report“-Nachfrage bei der Bundesstelle für Sektenfragen ergibt, dass immer mehr Angehörige Hilfe suchen, weil ihre Familienmitglieder Verschwörungstheorien anhängen.

Um die Ursachen soll es hier nicht gehen, das würde den Rahmen sprengen, sondern vielmehr: Was können wir dagegen tun? Die Antwort: Noch mehr erklären, dem Publikum noch transparenter machen, was wir tun und wieso. Das gehört mittlerweile unabdingbar zu unserer Job Description. Daher starten wir im „Report“ im Oktober eine sendungsbegleitende Podcastserie, in der die Sendungsmacher, Reporterinnen und Reporter erklären, warum wir gerade dieses Thema herausgreifen und was die Überlegungen dazu sind. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte und deren „making of“: Wie entsteht ein Beitrag, wer wird dazu interviewt und vor allem: Warum? Was wurde darüber hinaus recherchiert, was fand in den Beitrag nicht Eingang und weshalb? Wer kommt ins Studio und ebenso wichtig die Frage, wer hat abgesagt.

Erstens sind wir davon überzeugt, das Publikum auf unserer Suche nach Antworten oder „The search for the best obtainable version of the truth“ mitzunehmen, wie es Watergate-Aufdecker Carl Bernstein formuliert. Und zweitens die gute Nachricht: Es lohnt sich. Dass zeigen nicht nur viele Rückmeldungen, Begegnungen in Schulen, Universitäten nach Diskussionen, Veranstaltungen, in denen mir noch immer unabhängig vom Alter die Frage gestellt wird, was wir JournalistInnen eigentlich ganz genau machen.

Sehr eindrucksvoll zeigte das auch eine Publikumsdiskussion im ORF, der sich die „Report“-Redaktion vor einem Jahr stellte. Das Interesse, die Neugierde war groß, die Fragen zahlreich, darunter viele, die wir eigentlich für bereits beantwortet hielten – wie jene: „Wer bestimmt was sie berichten dürfen, was sie ihre Gäste fragen dürfen?“ Gerne antworte ich auch hier einmal mehr: „Niemand schreibt uns vor, was gefragt oder worüber berichtet wird. Die Fragen ergeben sich aus der Recherche nach Relevanz.“ Die häufigste Antwort besteht dann aus drei Buchstaben und ist auch für uns in der Redaktion immer wieder ein solches Erlebnis: „Aha!“.

Susanne Schnabl ist Moderation und stv. Ressortleiterin im ORF-„Report“. Sie veröffentlichte das Buch Buch "Wir müssen reden. Warum wir eine neue Streitkultur brauchen."

 

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