Warum Deutschklassen nicht die Lösung sind

Die eine Stellschraube gibt es nicht, auch wenn die Politik das glaubt. Stärken wir lieber unsere Lehrer.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Professor Heinz Faßmann ist ein Mann der Wissenschaft. Zeit seines Berufslebens hat er als Wissenschafter agiert, sich auf Fakten berufen und Schlussfolgerungen gezogen, die auf empirischen Belegen fußten. Bis er Politiker wurde.

Schon bei seiner Angelobung als Bildungsminister muss ihm klar gewesen sein, dass er wesentliche Reformen umsetzen muss, die zuvor bei den türkis-blauen Koalitionsverhandlungen in Abwesenheit wissenschaftlicher Erkenntnisse aus dem Bildungsbereich ausgedealt wurden. Ein Beispiel sind da die „Deutschförderklassen“: Besonders VP-Chef Sebastian Kurz hatte im Wahlkampf den logisch einfachen Slogan „Deutsch vor Schuleintritt für jene, die es brauchen“ des Öfteren ventiliert. Ein kluger Ansatz?

Nein, sagen ausgerechnet die Professoren-Kollegen Faßmanns von der Uni Wien, die eigens eine „Arbeitsgemeinschaft Komparative Psycholinguistik“ gründeten: „Generell sind wir gegen eine schulische Trennung und Segregation“, schreiben die Profs und zitieren auf eineinhalb Seiten gleich zehn wissenschaftliche Studien aus dem In- und Ausland, die davon abraten. Faßmann wird das letztlich egal sein, es gibt ja auch Argumente für die Segregation der Kinder. Außerdem hatte er Kurz wohl versprochen, den Koalitionspakt umzusetzen.

Auf der Suche nach der StellschraubeDas Problem im Schulbereich ist im Grunde immer das gleiche, beschrieb es kürzlich Bildungsforscher Stefan Hopmann: Die Politik hoffe, große Stellschrauben zu finden, die man drehen könne und die das System dann verbessern. Nur gebe es diese Stellschrauben gar nicht.

Gut möglich, dass die von Faßmanns Bildungsministerium konzipierten Deutschklassen an einigen Schulen oder für einige Kinder genau die richtige Maßnahmen sind. Kann auch sein, dass sich das Herausholen der Kinder aus dem Regelunterricht an einigen Standorten perfekt in den Schulalltag schmiegt. Aber sicher nicht an allen Schulstandorten. Weil es eben nicht die eine Stellschraube gibt, die das System endlich vom europäischen Mittelmaß zur Weltspitze führt.

Es gibt aber Hoffnung, auf die wir setzen können (und müssen): Die engagierten Lehrer, die selber beurteilen können und sollen, was an ihrem Standort sinnvoll ist. Wofür haben wir Schulen, Direktoren und Lehrer mit der Schulreform 2017 in die Autonomie entlassen, wenn wir ihnen den Deutschunterricht nicht zutrauen?

Tatsache ist, dass manche Kinder (nicht nur in Wien) derzeit in acht Jahren Schule nicht ausreichend Deutsch lernen. Umso mehr müssen wir uns auf die Lehrerausbildung, Lehrerauswahl und Auswahl der Direktoren konzentrieren. Denn die allerwichtigste Studie im Bildungsbereich im vergangenen Jahrzehnt kam von einem Neuseeländer namens John Hattie, der in einer Meta-Analyse über alle Meta-Analysen im Bildungsbereich zum Schluss kommt: Nur der Lehrer, der vorne steht, ist für den Bildungserfolg entscheidend.

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