Wahlkampf in der Corona-Krise: Trump hat noch nicht losgelegt

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Der US-Präsident wird für seine Wiederwahl kämpfen – mit allen Mitteln, gegen alle Fakten und mithilfe der Wut von vielen.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Dramatische Todeszahlen, noch dramatischere Arbeitslosenzahlen und ein Budgetdefizit, das schon vor der aktuellen Krise eskaliert war und jetzt ins Astronomische zu entschwinden droht: Ein halbes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen hat Donald Trump offensichtlich keine guten Karten. Die Wirtschaft, auf deren so lange ziemlich eindrucksvollen Kennzahlen der Präsident gelassen in Richtung November segeln wollte, ist durch Corona kollabiert.

Zurückgelassen hat sie vor allem jene Amerikaner, die sich ohnehin ohne jede Absicherung und mit einer bestenfalls rudimentären Krankenversicherung von Job zu Job hanteln. Menschen aus den Krisenregionen der USA, die ihn 2016 gegen alle Erwartungen zum Präsidenten machten. Nicht weil der New Yorker Milliardär konkrete Vorschläge hatte, wie er ihre Situation verbessern könne, sondern schlicht, weil er ihre Emotionen ansprach, weil er sie dort packte, wo sie am leichtesten zu kriegen waren: bei dem über Jahre und Jahrzehnte aufgestauten Gefühl, in einem Land, an das sie geglaubt hatten – Amerikaner tun das mehr als jede andere westliche Nation –, nichts mehr zu zählen.

Etwas zu zählen, Stolz zu empfinden, auf sich selbst und auf die Nation, ist für das Selbstverständnis der Amerikaner wichtiger als das Versprechen auf soziale Absicherung durch einen Staat. Man erwartet weit weniger finanzielle Zuwendungen und Garantien als in Europa. Was man aber erwartet, sind faire Chancen und Möglichkeiten. Trump machte seinen Wählern deutlich, dass das System – diese Elite aus Washington – ihnen diese Chancen genommen hatte, einfach weil man das Land und seinen Reichtum unter sich aufteilen wollte. Dass sein voraussichtlicher Gegner Joe Biden als ehemaliger Vizepräsident für genau diese Elite steht, kommt ihm dabei mehr als gelegen.

Mit dieser Botschaft und demselben apokalyptischen Bild wie 2016, von einem Amerika, gegen das sich die Welt und die eigene abgehobene Elite verschworen haben, wird Trump in diesen Wahlkampf ziehen. Dass er dieses Spiel meisterhaft beherrscht, hat er bei den letzten Wahlen eindrucksvoll bewiesen – auch wenn bis zuletzt die Umfragen gegen ihn sprachen.

Mit der Suche nach Feindbildern hat er bereits begonnen: China steht ganz oben auf der Liste, danach werden alle kommen, die jetzt den neuerlichen Wirtschaftsaufschwung blockieren, den er ja anführen möchte. Gerade viele Regionen, wo Trumps verlässlichste Wähler sitzen, sind von der Corona-Epidemie weit weniger getroffen als die liberalen Metropolen New York oder Los Angeles. Dort regt sich bereits der Unmut gegen die aus Washington, die freie Bürger nicht auf die Straße und zur Arbeit gehen lassen – und Trump wird ihn schüren. Es ist sein politischer Rückenwind.

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