Es braucht ein starkes und einiges Europa. Das, was in Sonntagsreden seit Jahrzehnten beschworen (und selten gelebt) wurde, hat sich an einem Donnerstag im Februar, heute vor zwei Monaten, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine als plötzliche Tugend in der Not herausgestellt.
Wladimir Putin hat seinen Feldzug gegen die Ukraine und den Westen ja von langer Hand geplant. Und zwar nicht, weil ihm Europa nicht rechtzeitig die Hand gereicht hätte (es hat, in Wahrheit, zu viel). Sondern weil er die Geschichte umschreiben will. So ergeben auch seine Bemühungen, EU-Europa zu schwächen – Unterstützung der Le Pens und Salvinis, der FPÖ bis Orbán, Fake-news-Verbreitung, versuchte Wahlmanipulation – durchaus Sinn.
Es ist ihm nicht gelungen. Der russische Präsident hat sich nicht nur bei seinem militärischen Raubzug schwer verkalkuliert. Er hat sich auch in Europa geirrt: Die Europäische Union plus Großbritannien sind dem Kriegsverbrecher und seinen Getreuen im Kreml vor allem zu Beginn sehr ent- und geschlossen entgegen getreten. Opportunistische Glücksritter wie Viktor Orbán haben sich mit ihrem zögerlichen Kurs gegenüber Putin selbst unter ihren Freunden isoliert.
Die EU wird nie zu Vereinigten Staaten von Europa à la USA werden. Es wird auch nie den EU-Außenminister geben, dessen Telefonnummer sich Henry Kissinger für Absprachen gewünscht hätte. Aber starke Persönlichkeiten, die die Union lenken, die einen Kurs einschlagen und eine Vision am Horizont haben, die Geschlossenheit statt kleingeistiger Eigeninteressen im Fokus haben und im Idealfall nicht gegeneinander agieren, die braucht es. Auch in Zeiten, die wir vielleicht einmal Nachkriegszeit nennen dürfen und in denen es wieder um wirtschaftlichen Wettbewerb und Wohlstand gehen wird. Vielleicht geht sich das ja sogar noch unter Emmanuel Macron aus.
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