Türkis-Grün: Was dieser Regierung fehlt

Türkis-Grün: Was dieser Regierung fehlt
Politik braucht beides: Mutige Maßnahmen und die Fähigkeit, diese den Menschen zu erklären, sie mitzunehmen.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Am Sonntag ist es so weit: Zum vierten Mal jährt sich die Angelobung der ersten türkis-grünen Bundesregierung. Und auch wenn das politische Personal seit 2020 in frappanter Frequenz gewechselt hat: Türkis-Grün regiert nach wie vor. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass diese vor der Wahl undenkbare Koalition die erste ist, die eine volle Legislaturperiode durchdient.

Nun könnte man stichelnd einwerfen: Was sollten sie auch sonst tun? ÖVP und Grüne sind derart unbeliebt, da hat keiner Lust auf eine vorgezogene Wahl.

Das stimmt natürlich – die Vertrauenswerte einzelner Regierungsprotagonisten sind nachgerade spektakulär schlecht.

Von den vielen Vorwürfen, die man dieser Regierung machen kann, ist einer aber sachlich falsch, nämlich: Untätigkeit.

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Keine Koalition in der Geschichte musste unter einem nur ansatzweise vergleichbaren Zeitdruck Antworten auf existenzielle Bedrohungen finden (von den „nebenbei“ zu lösenden Herausforderungen des menschengemachten Klimawandels wollen wir erst gar nicht beginnen zu reden).

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Trotz allem, also trotz Pandemie, russischem Angriffskrieg und einer global wütendenden Energie- und Inflationskrise, sind Projekte gelungen, die auch ohne diese Begleitumstände ziemlich fordernd gewesen wären.

Die Kalte Progression zum Beispiel: Wie viele Regierungen haben versprochen, die schleichende Steuererhöhung abzuschaffen? Jetzt gilt sie. Oder die Valorisierung der Sozialleistungen: Was selbst sozialdemokratischen Sozialministern über Jahrzehnte nicht gelang – nämlich wichtige Staatsleistungen wie das Krankengeld automatisch an die Inflation anzupassen – ist heute Realität.

Was also ist das Problem der Regierung? ÖVP-Klubchef August Wöginger ging via Presse jüngst auf Ursachenforschung: „Wir haben so viel gemacht, dass die Menschen es gar nicht fassen können.“

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Isoliert klingt der Satz fast schräg, im Kern aber stimmt er: Man kommt einfach nicht mit. Da wurden Klimaboni und zusätzliche Familienbeihilfen überwiesen, Heiz- und Strompreise flächendeckend subventioniert. Und damit ja nicht die „Gefahr“ besteht, dass Wähler über die mannigfaltigen Segnungen den Überblick behalten, wurden zahlreiche Hilfen – wie immer – zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt.

Wissen Sie noch, wann Ihnen der Klimabonus überwiesen wurde? Oder wann Ihr Kind das Gratis-Klimaticket im Wert von mehr als 800 Euro bekommt? Eben.

Politik braucht beides: Mutige Maßnahmen und die Fähigkeit, diese den Menschen zu erklären, sie mitzunehmen.

Was das „Mitnehmen“ angeht, ist Schwarz-Grün sicher ein gutes Beispiel für die Folgeregierung – und zwar dergestalt, wie man es besser nicht macht.

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