Traut euch!

Kaffeehäuser müssen nicht immer im 1. Bezirk sein. Woanders in Wien ist es auch schön.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Die Aufregung war groß, als im Juni 2017 bekannt wurde, dass das Café Griensteidl am Michaelerplatz zusperren wird. Und sie war auch groß, als heute vor einer Woche durchsickerte, dass aus dem Kaffeehaus nun ein Supermarkt wird.

Ein Billa! Im Traditionskaffeehaus! So geht das nicht!

Naja.

Erstens muss man dazu sagen: Das Café Griensteidl ist nicht wirklich ein Traditionskaffeehaus. Das alte Griensteidl, das berühmte Literatencafé – in dem Karl Kraus, Arthur Schnitzler und Stefan Zweig Stammgäste waren – das war das Lokal, das man heute als Traditionskaffeehaus bezeichnen könnte. Wenn es dieses Café noch gäbe.

Aber dem ist ja nicht so. Jenes Café Griensteidl, das Do&Co-Chef Attila Doğudan ab 1990 führte, wurde zwar 1898 im neuen Palais Herberstein eröffnet. Aber das alte Palais mit dem alten Griensteidl war 1897 abgerissen worden. Und während damals das neue Palais gebaut wurde, wanderten alle Literaten vom Griensteidl ins Central. Von der Tradition ist also nicht viel übrig.

Und zweitens – und das ist ein nicht minder wichtiger Grund – muss es ja echt nicht immer die City sein. In der Innenstadt gibt es Kaffeehäuser zuhauf, die so ziemlich allen Ansprüchen genügen müssten: das Landtmann, das Museum, das Central, das Hawelka, das Alt Wien, das Korb, das Engländer, das Prückel und und und. Von einer Kaffeehaus-Unterversorgung kann man also nicht sprechen.

Die herrscht dafür anderswo. Wo gibt’s zum Beispiel rund um den Bahnhof Meidling ein nettes Café? Und in der Nähe der Arbeitergasse im 5. Bezirk? Am Rennweg im Dritten gibt es nix, genauso wie in der Thaliastraße. Und auch in den Außenbezirken leben Menschen, die mitunter gerne in netten Kaffeehäusern sitzen möchten.

Liebe künftige Cafetiers: Traut euch! Es muss nicht immer der 1. (und 6. und 7.) Bezirk sein. Woanders in Wien ist es auch schön. Und dort könnt ihr euch (vielleicht) sogar noch die Miete leisten.

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