Strolz-Rücktritt: Pinky ohne Brain – ein Desaster
Etwa 20 Minuten lang sagte Matthias Strolz kluge Dinge. Was seiner Partei gelungen sei. Wie er Politik sehe. Warum Bildung so wichtig sei. Zwischendurch pausierte er ein paar Sekunden, für ihn selbst wohl eine gefühlte Ewigkeit, um gegen Tränen zu kämpfen. Und am Ende der in Strolz’scher Manier eines Teilchenbeschleunigers einberufenen Pressekonferenz fragte man sich: WARUM? Ist das jetzt wirklich nötig?
Zugegeben: Der Schritt verdient Respekt. Der Neos-Gründer und einzige Chef, den diese Partei bisher hatte, zieht sich mit Anstand zurück. Ein st(r)olzer Abgang. Ein Politiker, der ohne äußeren Zwang, ohne #MeToo-Skandal, ohne Korruptionsvorwürfe, ohne massive Verluste geht, der sich nur auf das Ende der Pionierphase und auf die „Stimme des Herzens“ beruft – das ist genauso seriös, wie Strolz meist Politik gemacht hat. Seine 268.518 Wähler (ok, einige davon hat er wegen Irmgard Griss bekommen) stößt er damit aber vor den Kopf.
Haben die Pinken ohne Strolz im bundesweiten politischen Spiel der Kräfte weiterhin eine Chance? Garantiert, weil im Gegensatz zu anderen gegründeten Parteien (Beispiel Team Stronach, Beispiel BZÖ) eine echte Idee, ein inhaltlicher Antrieb dahintersteckt und nicht Populismus oder eine verschrobene Ideologie. Die Neos waren in vielen Fragen, obwohl Opposition, die konstruktivste Kraft. Das kam nicht nur bei Wirtschaftstreibenden, sondern auch bei vielen Jungen gut an.
Dennoch wird es in einer Zeit, in der die Leute Menschen wählen und nicht Parteien, in der ein Grüner Bürgermeister von Innsbruck wird, obwohl die Grünen am Abgrund stehen, in der wir einen Kanzler haben, der nicht wegen seiner Partei gewählt wurde, sondern weil er sich von dieser zu emanzipieren versuchte, dennoch wird es in dieser Zeit der Persönlichkeitswahl und der Ohnmacht der Parteien für Pink künftig „arschknapp“.
Und wer macht jetzt Opposition?Wer auch immer die Neos übernimmt – möglicherweise die ebenso seriös agierende Beate Meinl-Reisinger –, wird es schwer haben, in die großen Fußstapfen des rhetorisch (und auch selbstdarstellerisch) so begabten Strolz zu treten. Eine komplexe Situation für die Pinken – aber ein Desaster für die parlamentarische Opposition.
Der Liste Pilz ist der Kopf (oder die Hand) abhanden gekommen, noch ehe sie ins Parlament einzog. Dass sie im Moment gar keinen Klubchef hat, ist da schon fast egal.
Die Grünen sind bekanntlich gar nicht mehr im Parlament vertreten, auch bei den Wahlen in Kärnten und in Salzburg wurden sie zuletzt aufgerieben.
Und bei der SPÖ hat man nicht einmal im Ansatz das Gefühl, dass sie bei der Aufarbeitung ihrer internen Probleme und der Neudefinition ihrer Rolle schon wesentlich weitergekommen ist.
Nun verlieren die Pinkys ihr Brain – hoffentlich dauert diese (Gehirn)-Erschütterung nicht allzu lange.
Nutznießer der Situation ist die türkis-blaue Koalition, die bis auf Weiteres von der Opposition so gut wie nichts zu befürchten hat. Eine parlamentarische Mehrheit jenseits der jetzigen Regierung ist momentan nicht einmal denkbar. Die einzigen wirklichen Oppositionellen sind Künstler wie Michael Köhlmeier.
Die „Stimme des Herzens“ hat Strolz persönlich vielleicht das Richtige geraten. Der demokratischen Balance hat sie aber garantiert geschadet.
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