Staatsanwälte: Auf einem Auge blind?

Hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft wirklich nichts Besseres zu tun, als sich um Kira Grünbergs Behindertenauto zu kümmern?
Martina Salomon

Martina Salomon

2015 bot Opel der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzenden ehemaligen Stabhochspringerin ein behindertengerechtes Fahrzeug an – als Sponsorgeschenk via Sporthilfe. Damals wurde Kira Grünberg symbolisch der Autoschlüssel überreicht. Erst 2017 nahm sie den Wagen entgegen, da saß sie allerdings bereits im Nationalrat. Handelt es sich also um verbotenes „Anfüttern“ einer Abgeordneten? Oder doch eher um einen „Sturm im Wasserglas“, wie Verfassungsrechtler Heinz Mayer meinte?

Grünberg hat eingestanden, die Sache falsch eingeschätzt zu haben und will die 40.000 Euro an karitative Organisationen spenden. Damit könnte man die Sache ad acta legen und sich um Wichtigeres kümmern.

In der Politik gelten andere, härtere Gesetze, und das ist prinzipiell gut so. Mittlerweile herrscht in der öffentlichen Meinung allerdings bereits ein Generalverdacht gegen alle Politiker: „Richten“ sie es sich nicht überall, verdienen sie nicht generell zu viel? Ein „normaler querschnittsgelähmter Bürger“ kriegt auch kein Auto geschenkt, kritisieren die „normalen Bürger“. Stimmt. Weil eine ehemalige Spitzensportlerin, deren Schicksal das ganze Land rührte, eben werbewirksamer ist. Das erkannte auch Sebastian Kurz und setzte Grünberg auf seine Wahl-Liste. Man kann ihr vorwerfen, dass sie seither noch nichts Weltbewegendes von sich gegeben hat. Wie die meisten Abgeordneten übrigens. Politik – das unterschätzen Quereinsteiger meistens – muss man auch lernen. Den Grünschnäbeln fehlt es außerdem fast immer an der Vernetzung. Aber ein Fall für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist Grünberg wohl eher nicht.

Dubiose Immo-Deals

Unterausgelastet kann die Behörde eigentlich nicht sein. Denn es gäbe zahlreiche Problemfälle (um das Wort „Skandal“ zu vermeiden), in denen die Staatsanwaltschaft eine erstaunlich „lange Leitung“ hat. Vor allem bei Bauprojekten der öffentlichen Hand. Wer oder was hat zum Beispiel das Budget für das Krankenhaus Nord derartig entgleisen lassen? Statt der veranschlagten 825 Millionen Euro tendieren die Kosten gegen 1,5 Milliarden. Im Wochentakt dringen weitere kleine und große Absurditäten an die Öffentlichkeit. Schlimmer noch: Viele Ärztinnen und Ärzte in Wien sind mittlerweile der Überzeugung, dass das System insgesamt „an die Wand gefahren“ wird. Immerhin beschäftigt sich wenigstens eine Untersuchungskommission im Rathaus mit dem KH Nord.

Ist weiters beim spottbilligen Verkauf von 3000 Sozialwohnungen, ursprünglich im Besitz der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, an Sub-Gesellschaften eines Immobilien-Investors alles mit rechten Dingen zugegangen? Und kümmert irgendjemanden der Geldwäsche-Verdacht rund um die Semmelweis-Gründe der früheren „Frauenklinik“ in Wien-Währing? Der Verkauf ist damals ohne Ausschreibung und offenbar weit unter Wert erfolgt.

Im ganzen Land wird nicht so genau hingeschaut, wenn Flächen über Nacht dank Umwidmung oder Wegfall des Denkmalschutz-Status zu Luxus-Baugrund werden. Ein Fall für die Justizbehörden, oder? Göttin Justitia ist zwar blind, aber nicht nur auf einem Auge.

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