Schengen-Veto: Schon wieder wird aufgemuckt
Martin Gebhart
21.11.22, 18:28In Österreich hat es in den tagespolitischen Diskussionen bisher kaum Niederschlag gefunden, im Ausland hingegen sehr. Seit ÖVP-Innenminister Gerhard Karner ein Veto gegen eine Schengen-Erweiterung in den Raum gestellt hat, schrillen die Alarmglocken.
Nicht nur in den drei Balkanländern Bulgarien, Kroatien und Rumänien, die in Zukunft unbedingt zu den Schengen-Staaten gehören wollen. Auch in Brüssel fühlt man sich vor den Kopf gestoßen, weil am 8. Dezember ja eine Stimme reicht, um den Erweiterungswunsch der Kommission scheitern zu lassen. Und so mancher wird sich in der EU-Zentrale gedacht haben: Nicht schon wieder das kleine Österreich. Unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz war mit der Veto-Keule das Budget infrage gestellt worden. Karner wählt diesen Weg nun bei der Erweiterung.
Dem Innenminister geht es da nicht um Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Die drei Balkanstaaten sind nur das Faustpfand, um Druck auf die EU-Kommission auszuüben. Diese bastelt seit Jahren an einer gemeinsamen Asylpolitik, hat aber noch nichts Entscheidendes vorlegen können. Es ist allerdings auch nicht einfach, da jeder Vorschlag sofort irgendwo in Europa auf Widerstand gestoßen ist – darunter auch jener aus Österreich. Die Folge ist, dass sich vieles bereits verselbstständigt und Brüssel darauf keinen Einfluss mehr hat. Das beste Beispiel ist das Dublin-Abkommen, das nur noch auf dem Papier existiert. Ursprünglich sollte es regeln, dass Flüchtlinge in jenen EU-Staat zurückgeschickt werden können, wo sie das erste Mal registriert worden sind. In der Realität wird in vielen Staaten nicht mehr kontrolliert und registriert. Die Last – in Österreich gab es heuer bereits fast 100.000 Asylanträge – müssen dann jene tragen, die Aufgriffe korrekt abfertigen.
Das färbt auch auf den besagten Schengen-Raum ab, der geschaffen worden ist, um eine gemeinsame EU-Außengrenze zu definieren und innerhalb dieser grenzenlose Reisefreiheit zu ermöglichen. Tatsächlich aber werden nun schon seit Jahren zusätzlich Grenzkontrollen zwischen Schengen-Staaten aufgezogen, weil die Außengrenze zu löchrig ist.
Die Veto-Drohung von Karner ist eine sehr harte Ansage, die uns international noch heftige Turbulenzen bescheren wird. Was sie nicht ist und auch nicht sein kann: ein parteipolitischer Befreiungsschlag der ÖVP mit Hilfe des Themas Asyl. Das hat nur unter Sebastian Kurz funktioniert. Derzeit zahlt die Asylkrise in erster Linie auf die FPÖ ein, die dazugewinnt und dafür nicht einmal in die Offensive gehen muss. Zugute kommt da den Freiheitlichen, dass so manches schwarz geführte Bundesland den Innenminister in der Frage der Unterbringung von Asylwerbern im Regen stehen gelassen hat. Und dass es die SPÖ seit Jahren nicht schafft, sich innerparteilich auf einen gemeinsamen Asylkurs zu einigen.
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