Damit nimmt Karner einen schweren Konflikt mit EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Kauf. Diese hatte noch am Mittwoch die EU-Staaten aufgerufen, die „volle Teilnahme“ von Kroatien, Rumänien und Bulgarien am Schengen-Raum (siehe Fakten) zu ermöglichen. Johansson: „Es ist höchste Zeit, sie willkommen zu heißen.“ Gerhard Karner sieht das komplett anders: „Ein kaputtes System zu erweitern, kann nicht funktionieren.“
Vom Innenministerium wird das mit den aktuellen Asylanträgen unterlegt. Über 90.000 sind es heuer bereits in Österreich, 75.000 davon sind in keinem anderen EU-Land registriert worden. „Obwohl diese Migranten durch mehrere sichere Drittstaaten gezogen sind, wurden 75.000 an deren Grenzen nicht kontrolliert“, heißt es aus der Wiener Herrengasse. Das zeige, dass die EU-Außengrenzen nicht ordentlich geschützt würden. Deswegen würden auch immer mehr Staaten auf die Kontrolle der nationalen Grenzen (Binnengrenzkontrollen) setzen, neben Österreich etwa noch Deutschland, Frankreich, Tschechien, Dänemark, Schweden und Norwegen.
Somit wird man beim Sonderministerrat am kommenden Freitag in Brüssel einiges zu besprechen haben. Abseits von dieser Vetodrohung, die parteiintern kein Alleingang von Karner ist, sorgte auch die ÖVP-Debatte über die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in der EU-Hauptstadt für einiges Aufsehen. Angestoßen hatte sie Klubobmann August Wöginger. Bis auf EU-Vizepräsident Othmar Karas haben danach alle in der Partei mitgezogen. Die Ansage: Man wolle grundsätzlich an den Menschenrechten nichts ändern, es gehe vielmehr um die Auslegung durch die Judikatur.
Beim Veto gegen die Schengen-Erweiterung ist Österreich nicht allein. In den Niederlanden hat das Parlament sogar mit einer Resolution Ministerpräsident Mark Rutte ersucht, beim Rat ein Veto einzulegen. Finnland, Schweden und Dänemark zeigen sich skeptisch, wollen aber die Entscheidung nicht blockieren.
Besonders hart würde das angekündigte Veto Österreichs die Kroaten treffen. Die haben sich bereits intensiv auf den Schengenbeitritt vorbereitet. Demnach sollte die Schengen-Erweiterung bereits am 1. Jänner 2023 in Kraft treten, nachdem bereits im Dezember 2021 befunden worden war, dass das Land alle Voraussetzungen für den Beitritt erfüllt. Bei Bulgarien und Rumänien sind da viele schon skeptischer. Es gibt aber keine Möglichkeit, getrennt über die Beitrittsstaaten abzustimmen. Denn die tschechische Ratspräsidentschaft hat schon deutlich gemacht, dass nur im Block abgestimmt wird. Entweder werden also alle drei oder gar keiner aufgenommen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird somit diese Woche einiges zu erklären haben, wenn er gemeinsam mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach Kroatien fährt, um an einem Energiegipfel teilzunehmen. Da ist auch ein Treffen mit Staatspräsident Zoran Milanović eingeplant.
Aber vielleicht bewegt sich bis zum 8. Dezember die EU in der Flüchtlingsfrage so stark, dass Österreich bei diesem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs die Vetodrohung fallen lässt. Bis dahin sind noch zwei Runden der Innenminister geplant. Am 25. November und Anfang Dezember. Entscheidend ist für Gerhard Karner, dass dort nicht nur über die französischen Probleme mit Migranten gesprochen wird, sondern auch über die Situation am Westbalkan.
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