Sollen Ukrainer weiter gratis parken dürfen?
Vor drei Monaten begann in der Ukraine ein blutiger Angriffskrieg durch Russland.Zigtausende flüchteten aus dem Land, unter anderem nach Österreich, wo sie mit offenen Armen empfangen wurden. Sogar die Parkgebühren wurden ihnen in der Bundeshauptstadt erlassen.Wien will das jetzt ändern und kündigt an, ab Juni zu strafen. Soll man diese Solidaritätsgeste weiter verlängern?
PRO
Lektion Nummer eins für Menschen, die neu in diesem Land sind: „Vurschrift is Vurschrift“. Lektion Nummer zwei: Es gibt eine Ausnahme. Sie müssen nur die richtigen Leute kennen. Diese Mischung aus Konformität und Regelbruch ist die inoffizielle Verfassung eines Landes, das die vergangenen Jahrzehnte von Frieden und Wohlstand verwöhnt war.
Dass Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, mit untypischem Wohlwollen empfangen worden sind, war erfrischend: Wir sind ja doch hilfsbereit, ohne einander „Willkommensklatscher“ zu schimpfen.
Und ja: Dabei geht es viel um Symbole. Das Auto, mit dem viele Ukrainerinnen und Ukrainer gekommen sind, ist ein solches. Für manche ein letzter Besitz, den man gerettet hat. Ein Transportmittel, in das man Familie und das Allernötigste packte, um vor Mord, Explosionen und Vergewaltigungen durch die russische Armee zu fliehen. Vorübergehend der einzige Ort, den man abschließen konnte, um sein Hab und Gut zu verstauen. In dem man auf der Reise übernachtete.
Die Menschen gratis parken zu lassen, war eine schöne Geste der Menschlichkeit, eine Anerkennung für die Strapaz und ein Symbol dafür, dass wir ohne Amtsschimmel und ohne Neid auch einfach mal nur helfen können. Dass manche politischen Kräfte das zu einer Neiddebatte umformulieren wollen, ist erwartbar gewesen, denn die Ausländer-Karte zieht seit den 1990er-Jahren.
Man muss aber eines festhalten: Die Geflüchteten wollen ohnehin so schnell wie möglich nachhause. Und bevor sie ein österreichisches Kennzeichen holen, sind wohl Amtswege im zerbombten Zuhause nötig, die NOVA muss bezahlt werden, etc.
Wer hier kleinlich ist, sollte anderswo groß denken: Wien hat zu viele Parkplätze. Diskutieren wir doch darüber!
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER
CONTRA
Die Gratis-Parkregelung für ukrainische Autos läuft mit Ende Mai in Wien aus – und das ist gut so. Weil es eine Ausnahmeregelung ist und weil Ausnahmen im Normalfall enden, um in einen Regelbetrieb überzugehen. Das hat nichts mit Neid zu tun oder mit den Automarken, die da mit ukrainischem Kennzeichen stehen. Das Auslaufen der Regelung ist ein Teil des Ankommens in einer Gesellschaft.
Seit fast drei Monaten tobt dieser Krieg und ukrainische Vertriebene wurden in Wien mit Wohlwollen empfangen. Sie bekommen Aufenthalt, Schutz und Unterkunft, sie werden versorgt, sind hier gemeldet und beziehen Sozialleistungen. Sie besuchen Deutsch-Kurse, werden über das AMS in Jobs vermittelt und haben eine E-Card für die medizinische Versorgung. Das ist gut so, um den Geflüchteten zu helfen. Und um einen möglichst guten Start in einer neuen Welt zu ermöglichen.
Zum Ankommen und Integrieren in einem fremden Land gehört aber auch, dass behördliche Auflagen schön langsam erfüllt werden. Und dass man dann etwa auch sein Auto versorgt und es, wie vorgesehen, zeitnah (und damit innerhalb eines Monats) dort anmeldet, wo man aktuell auch seinen Hauptwohnsitz begründet hat. Das Aufenthaltsrecht im Sinne der Vertriebenenverordnung hebelt das aber für ein Jahr aus.
Konsequenterweise sollten die ukrainischen Autos bereits alle ein österreichisches Auto-Kennzeichen haben. Damit wären sie korrekt gemeldet, das ist wiederum wichtig für das Auffinden der Fahrzeugeigentümer und für versicherungs- und abgabenrechtliche Belange.
Aber was passiert eigentlich, wenn man einen Unfall mit einem in der Ukraine versicherten Fahrzeug hat? Aktuell übernimmt noch der Versicherungsverband Österreich die Haftung (bis 30. 6.).
Sandra Baierl leitet im KURIER das Ressort Mobilität.
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