Müssen wir uns vor Donald Trump fürchten?
Die Präsidentschaftswahl in den USA ist geschlagen. Donald Trump setzte sich, für die Meisten überraschend deutlich, gegen seine Kontrahentin Kamala Harris durch. Viele befürchten in der zweiten Amtszeit des 78-Jährigen nun bereits das Schlimmste. Aber sollten wir uns tatsächlich fürchten vor Trump? Ein Pro & Contra aus der KURIER-Redaktion.
PRO
Evelyn Peternel, stv. Außenpolitik-Leiterin
Müssen wir. Weil Trump kein einmaliges Ereignis mehr ist, kein Betriebsunfall der Geschichte. 2016 konnten wir uns noch damit herausreden, dass die Leute auf einen Clown reinfielen, Facebook und Russland für ihn verantwortlich machen. Diesmal ist es anders: Die Menschen wählten ihn, obwohl sie wussten, dass er versucht hat, einen Staatsstreich zu provozieren, mit Rechtsextremen kuschelt und Demokratie geradezu als lästig empfindet. Oder vielleicht sogar deswegen.
Den Menschen ist ihr eigenes Wohlergehen wichtiger als eine abstrakte Demokratie, die vielen schon lange als elitär und abgehoben erscheint. Sie tragen Trumps Abrissbirnen-Politik, seine übertriebenen Männlichkeitsfantasien mit, weil Politik für sie schon längst zur hohlen Phrase verkommen ist; weil für viele das Geld nicht reicht und Trump ihnen wieder goldene Zeiten verspricht. Dass er damit auch seinen eigenen Anhängern ihre Rechte rauben könnte, ist den meisten egal, zumindest aus heutiger Sicht.
Wer sagt, dass all das ohnehin nur die Amerikaner betrifft, irrt gewaltig. Trump wird Europas Wirtschaft mit Strafzöllen in die Knie zwingen wollen. Er wird der Ukraine einen Frieden aufzwingen, der dass Land zerreißen kann und die Tausenden Toten, die Putin auf dem Gewissen hat, verhöhnt.
Er wird den Kreml damit stärken, auch wenn er das Gegenteil behauptet. Doch um die künftigen Aggressionen Putins wird sich nicht Amerika kümmern – das müssen wir hier in Europa.
CONTRA
Wolfgang Unterhuber, Mitglied Chefredaktion
Müssen wir nicht. Skepsis und Vorsicht, ja. Aber die aktuelle Rhetorik der Apokalypse ist unangebracht. Gewiss: Trump ist ein vulgärer Irrwicht. Samt ausufernden Machtfantasien. Damit ist er aber nicht allein auf der Weltbühne. Dazu reicht ein Blick in den Kreml. Oder nach Peking. Staatschef Xi Jinping will nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, um Taiwan zu überfallen. Er wird jetzt noch damit warten. Obwohl Trump gesagt hat, dass Taiwan für den US-Schutz bezahlen muss. Sonst könne China die Insel „bombardieren“. Aber wie Trump im Ernstfall wirklich reagieren würde, weiß Xi nicht. Trump also als Beelzebub, der den chinesischen Drachen zur Vorsicht mahnt. Das ist zynisch. Aber so ist Politik. Bei aller charakterlichen Unberechenbarkeit ist aber sonst relativ klar, welche Politik Trump verfolgen wird. Wirtschaftlich wird er mit Zöllen versuchen, die US-Wirtschaft zu stützen. So wie es Joe Biden getan hat. Und die EU. Die hat gerade Zölle für E-Autos aus China beschlossen. Politisch müssen sich die Europäer darauf einstellen, dass Trump ihnen den Schutzschirm wegnimmt, unter dem sie sich die vergangenen Jahrzehnte so gemütlich eingerichtet haben. Trump und die USA wollen nicht mehr überall Weltpolizist sein. Voll in Ordnung. Angst macht da eher, wie unvorbereitet die wohlstandsverwöhnten europäischen Trittbrettfahrer hier sind. Bleibt noch die Angst vor der Abschaffung der Demokratie in den USA. Um die Verfassung zu ändern, braucht ein US-Präsident eine Zweidrittelmehrheit im Kongress. Die hat Trump aber nicht.
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