Zur Veranschaulichung eine Auswahl an „Missen“ aus der jüngeren Vergangenheit: In Deutschland siegte eine gebürtige Iranerin, die sich für Frauenrechte in ihrem Geburtsland einsetzt; bei der Wahl zur Miss Universe nahm eine 80-jährige Koreanerin teil; in Frankreich gewann eine Mathematikstudentin mit kurzen Haaren. Eine Premiere, die für viel Aufregung sorgte.
Was sie eint? Eine offene Ausstrahlung, inspirierende Lebensgeschichten sowie optische Merkmale, die sich von der Schönheitsnorm abheben. Dass das nicht jedem gefällt, liegt auf der Hand. Die einen fürchten fortschreitenden „Wokismus“, andere halten die neue Vielfalt für PR-wirksame Augenauswischerei. Die Abschaffung des „Bikini-Walks“ wird vielerorts als neue Prüderie gewertet. Es bleibt also kompliziert.
Man könnte Miss- (und im Übrigen auch Mister-) Wahlen aber ebenso als Chance begreifen, den gängigen, oft toxischen Attraktivitätsbegriff neu zu interpretieren. Gerade in Zeiten omnipräsenter Instagram-Models mit Botox-Einheitslook braucht es eine Bühne für erfrischende neue Vorbilder. Wie der Organisator der Miss-Germany-Wahl erklärte: „Es geht nicht um 90-60-90 – sondern um Frauen, die was zu sagen haben.“
CONTRA
Johanna Kreid, Stv. Ressortleiterin Chronik
Es sei „nicht mehr zeitgemäß“: Mit dieser Begründung wurde nun nach 35 Jahren die Wahl zur „Miss Niederlande“ abgeschafft.
„Hartelijk dank“, liebe Niederlande, könnte man dazu sagen.
Freilich, Miss-Wahlen waren zuletzt zumindest keine Badeanzug-Paraden mehr, bei denen ältere Herren Punktetafeln hochhielten. Mittlerweile gehe es auch um innere Werte und Persönlichkeit, betonten viele Veranstalter. Ja, eh.
Doch was bleibt? Das Bild von Frauen auf dem Laufsteg, die freundlich lächelnd vor allem eines sollen: gefallen. Und zwar mit ihrem Aussehen.
Ja, unser Frauenbild ist vielfältiger geworden – offiziell gilt nicht mehr nur „Size Zero“ als schön, „Body Positivity“ wird allerorts propagiert.
Aber wie sieht es wirklich aus? Eine Blitzumfrage unter jüngeren Kolleginnen ergab: Keine kennt eine Frau, die wirklich zufrieden mit ihrem Aussehen ist.
Nicht repräsentativ, sagen Sie? Na gut: Kennen Sie eine?
Nach wie vor werden Frauen nach ihrem Aussehen beurteilt. Und gängige Schönheitsideale sind in Film, Fernsehen und in den sozialen Medien weit dominanter als die „Body Positivity“.
Das zeigt nicht zuletzt die aktuelle Debatte: Unter den Suchbegriffen „Misswahl abschaffen“ stößt man auf eine Bandbreite an Berichten. Zu „Misterwahl abschaffen“ kommt: nichts. Nicht nur, weil es weniger davon gibt. Sondern auch, weil das Reduzieren auf Äußeres bei Männern viel weniger Thema ist.
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