PRO:
Ich bin ein Fußball-Realist. Fußball ist heute vor allem ein Geschäft. Und diese Woche hat der Getränkekonzern Red Bull ein gutes Geschäft gemacht. Das Familienunternehmen mit thailändischen und österreichischen Eigentümern hat für seine weltweit neun Fußballklubs den deutschen Star-Trainer Jürgen Klopp als eine Art Generalstratege engagiert.
Bei vielen Fußball-Fans hat ihm das in den (un-)sozialen Medien viel Kritik eingebracht. Die Red Bull-Klubs kommen bei vielen Fans nämlich nicht gut an. Sie gelten als „Projekte ohne Fußball-Seele“. Außerdem könne der Konzern auf Unmengen Geld zurückgreifen, das nicht mit Fußball erwirtschaftet werde. Klopp habe sich kaufen lassen, lautet die Kritik. Sogar von „Verrat“ ist die Rede. Vor allem bei den Fans seiner beiden ehemaligen Meister-Klubs Borussia Dortmund und Liverpool kommt der Move von Klopp nicht gut an. Das ist scheinheilig. So hat Dortmund heuer einen ganz besonderen Sponsor gewonnen: Den börsenotierten Waffenkonzern Rheinmetall. Das wäre vielleicht eher ein Thema, womit sich die Fußball-Romantiker auseinandersetzen könnten. Übrigens: Dortmund notiert auch an der Börse. Schon unter Klopps Zeiten war das so. Der FC Liverpool notiert zwar nicht an der Börse, doch hinter dem Klub steht der US-amerikanische Investmentprofi John William Henry. Fußball ist eben ein Geschäft.
Deshalb kann man Red Bull und Klopp nur gratulieren. Red Bull hat den Fußball weiter entwickelt – so wie Klopp. Nun kommt zusammen, was zusammenpasst.
Wolfgang Unterhuber, KURIER-Themenchef
CONTRA:
Ich bin ein Fußball-Romantiker. Ich liebe Spiele in den unteren Ligen ohne VAR; mir ist eine faire Geste auf dem Spielfeld wichtiger als ein geschundener Elfmeter für „mein“ Team; ich trinke lieber Bier auf dem Stehplatz als Champagner (oder Red Bull) auf dem gepolsterten Sitz im VIP-Bereich.
Jürgen Klopp hat exakt in mein Fußball-Weltbild gepasst. Ein ehrlicher Arbeiter an der Seitenlinie, stets einen lockeren Spruch auf den Lippen, sympathisch, emotional, aber selten aufdringlich. In Liverpool wurde er zur Legende. Einen Wechsel zu Bayern hat er zuletzt im Juli ausgeschlossen – auch das gefällt dem Fußball-Romantiker.
Natürlich war auch Klopp (spätestens in der Premier League) Teil des Milliardengeschäfts Fußball, angetrieben von US-Investoren oder Ölscheichs. Längst hat er ausgesorgt. Dennoch hat er es geschafft, bodenständig zu bleiben. Mit der Kappe und dem strahlenden Lachen vermittelte er den Eindruck vom Kumpel von nebenan.
Ab Jänner 2025 wird Jürgen Klopp „Global Head of Soccer“ bei Red Bull sein, dem Inbegriff des modernen Fußballgeschäfts, in dem Traditionen kaum etwas zählen.
Klopps Motivation wird keine finanzielle sein. Es sind wohl die Möglichkeiten der Gestaltung bei Red Bull, die Klopp unterschreiben haben lassen. Die Verdienste des Konzerns um die Entwicklung des (österreichischen) Fußballs sind unbestritten.
Trotzdem werden ihn nach seiner Entscheidung nicht mehr alle uneingeschränkt lieben. Fußball-Romantiker haben am Mittwoch ein Stechen im Herz gespürt.
Florian Plavec, Ressort Sport
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