Sind Sie für eine Ambulanzgebühr?

Menschen sitzen in einer Reihe auf Stühlen in einem Wartebereich.
Sollen 10 Euro oder mehr für einen Besuch in einer Spitalsambulanz eingehoben werden, um das Gesundheitssystem finanziell und personell zu entlasten?
Johanna  Hager

Johanna Hager

Elisabeth Holzer-Ottawa

Elisabeth Holzer-Ottawa

Österreichs Spitälern mangelt es an Personal. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Zahl der Patienten zwischen Ambulanzen in Spitälern und dem niedergelassenen Bereich ungleich verteilt ist. Würde eine Ambulanzgebühr, wie es sie bereits gab, helfen, um das System wieder in Balance zu bringen?

PRO

Wer jemals vorzugsweise an einem Wochenende wegen eines Notfalles im Wartebereich einer Ambulanz Platz genommen hat, der bekommt es unweigerlich mit. Wer medizinisches Personal auf ebensolchen Ambulanzen kennt, der bekommt den anekdotischen Eindruck aus der täglichen Praxis bestätigt: Die Möglichkeit, in Österreich 24 Stunden am Tag medizinisch versorgt zu werden, ist ein Privileg, mit dem teils unglaubliches Schindluder getrieben wird; das das Gesundheitssystem an einen Kipppunkt bringt. 

Genau dann nämlich, wenn Menschen, die wochentags kränkeln, sich am Wochenende auf die Ambulanz begeben, weil es ihnen zeitlich zupasskommt, anstatt montags bis freitags den niedergelassenen Bereich aufzusuchen. Dass insbesondere Nicht-Notfälle  auf Notfall-Ambulanzen an Randzeiten – gepaart mit dem falschen Selbstverständnis, wofür und für wen Ambulanzen gedacht sind, das System belasten – finanziell wie personell – das ist evident.   

Das Gesundheitswesen in seiner jetzigen Form à la longue aufrechterhalten lässt sich nur durch stetes Aufmerksammachen eben genau darauf  und durch Änderungen. Die sogenannten Patienten-Ströme ließen sich schnell (um-)lenken, wenn man die Ambulanzgebühr wieder einführt. 55 Prozent der kurier.at-Community sprachen sich diese Woche für Ambulanzgebühren aus. Das Bewusstsein ist also da – die Bezahl- und Refundierungsmöglichkeiten für jene, denen es zusteht, auch. Nur machen muss es jemand – ehe das System kippt. 

Johanna Hager, Leiterin der Innenpolitik

CONTRA

Es hat ja schon vor  mehr als 20 Jahren  so ursuper funktioniert: 250 Schilling sollte damals – so wollte es die  erste schwarz-blaue Bundesregierung – zahlen, wer eine Spitalsambulanz besuchte, ohne ein „Notfall“ zu sein.

Doch was war ein Notfall? Rechtlich jedenfalls eine Definitionsfrage, die Ausnahmen überstiegen die Regel dann auch bei Weitem: Mehr als 90 Prozent nämlich waren Erkrankungsgründe, die die Versorgung in einer Spitalsambulanz deckten.

Das würde wohl auch im Jahr 2024 nicht anders sein als  2001, dem Jahr der erstmaligen Einführung einer Ambulanzgebühr in Österreich: Kein niedergelassener Kinderarzt mit Kassenvertrag im Bezirk, aber  ein fieberndes Kind zu Hause? – Ambulanz. Sturz der 89-jährigen Mutter mit Blessuren im Gesicht ?  – Ambulanz, weil der Hausarzt  natürlich kein MRT-Gerät  hat, das die Gefahr einer Gehirnblutung ausschließt.  Blieben also eigentlich ohnedies nur  Männerschnupfen und eingewachsener Zehennagel übrig für Ambulanzgebühren, aber wir wollen  ja nicht hämisch werden. 

Also bleiben wir bei den Fakten: Verrechnungsaufwand in der Ambulanz und Kontrollbedarf in den zuständigen Stellen der Sozialversicherungsträger, ob ja auch alles richtig zugeordnet wurde, waren damals enorm und wären es auch heute. Das verursacht neue Kosten. Und  wir sollten nicht übersehen: Jeder Dienstgeber und jeder Arbeitnehmer zahlt ohnedies monatlich Krankenversicherungsbeiträge in das System ein – und gar nicht so wenig.

Elisabeth Holzer-Ottawa, Chronikredakteurin

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