Der Tenor: Ist es jetzt nicht irgendwann genug mit dem kollektiven Schuldgefühl? Wer will das noch hören? Kann man das alles jetzt nicht einmal gut sein lassen?
Die vergangenen Wochen nach dem Terroranschlag der Hamas in Israel haben gezeigt: Nein, kann man nicht. Das dürften auch große Teile der österreichischen Bevölkerung so sehen. Rund 20.000 Menschen kamen vor wenigen Tagen zum Wiener Heldenplatz, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.
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Alleine zu einer Gedenkfeier in Wels am Dienstagabend pilgerten 600 Menschen, doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Dass zu den anstehenden Gedenkveranstaltungen ebenfalls mehr Besucherinnen und Besucher kommen werden als in den Jahren zuvor, davon ist auszugehen.
Solidarität ist ein starker Motor. Bei Solidarität alleine darf es aber nicht bleiben. Den Blick in die eigene Vergangenheit, so schmerzhaft er auch sein mag, darf man dabei nicht aussparen.
Dabei geht es nicht darum, sich in der Schuld zu suhlen, sondern aus dem Geschehenen zu lernen. Auf welche Anzeichen muss man achten, um eine düstere Zukunft zu verhindern? Wann gilt es, aufzustehen? Ohne die Geschichte zu kennen, ist keine Weiterentwicklung möglich.
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Die Angst vor dem Schuldgefühl darf einen nicht davon abhalten, in die Vergangenheit zu blicken. Wie man selbst 1938 reagiert hätte, das kann sowieso niemand ehrlich beantworten, der Jahre oder mehrere Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg geboren worden ist – auch wenn sich viele vor dem inneren Auge wohl gerne eigene Heldentaten erträumen. Wichtig ist vielmehr, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen, um uns entschieden dem schwelenden Antisemitismus entgegenzustellen. Denn was man sehr wohl beurteilen kann, ist, wie man sich jetzt verhält. Sich selbst weiterbilden, sich für Aufklärung engagieren und sich dafür einsetzen, dass sich die jüdische Community in unserer Mitte weiterhin sicher fühlen kann.
Vergessen wir gemeinsam niemals – und geben so diesen zwei Worten ihre ursprüngliche Stärke zurück.
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