Plädoyer für den Fleckerlteppich

Plädoyer für den Fleckerlteppich
Wenn es gegen Corona geht, ist der bundesweite Holzhammer nicht die beste Methode. Regionale Lösungen sind weit sinnvoller.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Es hat zuletzt kaum einen Tag gegeben, an dem die Zahl der täglichen Neuinfektionen unter der 100er-Marke gelegen ist. Das wird vom überwiegenden Teil der Bevölkerung mit Besorgnis registriert. Genauso hat sich in die Regierungspolitik ein gewisser Grad an Nervosität eingeschlichen, nachdem der Anstieg vor wenigen Wochen, weil erwartet, noch kleingeredet worden war.

Jetzt hat Kanzler Sebastian Kurz angedeutet, dass die Regierung nach den Lockerungen die Zügel wieder etwas anziehen will. An oberster Stelle steht die Maskenpflicht, die nicht zuletzt von der Ärztekammer gefordert wird. Das ist auch der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung, wie verschiedenste Umfragen belegen.

Ob es deswegen auch die beste Lösung ist, bleibt dahingestellt. Denn was etwa für den Supermarkt ein richtiger Schritt ist, muss es nicht für den Textilhandel sein.

Das Gefährliche an der momentanen Debatte über Verschärfungen ist die Forderung, speziell des Boulevards, nach dem bundesweiten Holzhammer. Rigorose Maßnahmen aus Angst davor, dass die Ausbreitung des Virus entgleiten könne, dass das Einschränken von Clustern auf Dauer nicht funktioniert. Den momentanen Fleckerlteppich an Entscheidungen – in Velden nächtliche Maskenpflicht vor dem Casino, in Wien keine derartige Vorschrift – dafür ins Visier zu nehmen, ist aber die falsche Schlussfolgerung. Gerade dieser Fleckerlteppich, wie die regionalen Lösungen gegen Corona-Ausbreitungen mittlerweile in manchen Kommentaren bezeichnet werden, ist die Chance, trotz der Corona-Krise ein größeres Stück an Freiheit zu bewahren. Weil dann nicht ganz Österreich in Geiselhaft genommen wird, wenn in einem Bundesland oder in einem Bezirk ein neuer Cluster auftritt.

Entscheidend ist in dieser Frage die Rolle der Landeshauptleute. Bei regionalen Maßnahmen müssen sie und ihre Bezirksbehörden dann notwendige Verschärfungen anordnen. Und auch zu ihrer Verantwortung stehen, wenn es dagegen Proteste gibt. Sie kennen die Gegebenheiten vor Ort besser, sie müssten deswegen auch flexibler und zielgenauer reagieren können. Vom Bund kommen nur noch die breit gefassten Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig ist es für die Landeshauptleute die Chance, das Image der bloßen Schönwetterpolitiker abzulegen, das ihnen von Bundesstellen immer wieder angedichtet wird. Und den Kritikern des Föderalismus zu zeigen, wie handlungsfähig diese Ebene unserer Republik sein kann und ist.

Mit dem angekündigten Ampelsystem, das mit Rot und Grün zeigen soll, wo die Corona-Situation kritisch ist und wo nicht, hat sich die Bundesregierung ja bereits für den Fleckerlteppich entschieden. Auch wenn die Zahl der Infizierten steigt, sollte sie sich davon nicht abbringen lassen.

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