Pistenkilometer sind Schnee von gestern
Simone Hoepke
13.11.22, 17:00Während in einem ägyptischen Badeort bei der 27. Klimakonferenz debattiert wird, wie die Welt noch zu retten ist, hat man in Österreichs Bergen eine eigene Agenda: Die Rettung des Skisports.
Passt das zusammen?
Ja, sagen Seilbahner. Man könne heute gar keine Seilbahntagung mehr machen, ohne sich mit Klimafragen zu beschäftigen. In Relation zu den (bisher sechs) Covidwellen und der aktuellen Inflation sei der Klimawandel weitaus bedrohlicher, eine Welle, die sich gerade erst aufbaut.
Die Schneedecke schmilzt. Die Zeitfenster, in denen Schneekanonen künstlich nachhelfen können, werden kleiner. Der große Aufschrei, dass der „Volkssport Skifahren“ gefährdet ist, bleibt in breiten Bevölkerungsschichten aus. Das Freizeitangebot für Jung und Alt wird immer größer. In vielen Familien zieht es eher Oma und Opa auf die Piste, als ihre Enkel.
Ein mittel- bis langfristiges Desaster aus Sicht der Seilbahnen, Skiindustrie, Sportartikelhändler, Skilehrer, Touristiker, kurz: der Initiative „Zukunft Allianz Winter“. Ihr Ruf nach einer verpflichtenden Schulskiwoche kommt so verlässlich, wie er ungehört verhallt. Er klingt eher nach Verzweiflungsakt, als nach Pistengaudi und Hüttenzauber. Wer will schon zu irgendetwas verpflichtet werden?!
Skisport war schon einmal cooler. Außerhalb der eingefleischten Neigungsgruppe Wintersport werden die Liftkaiser gern als Kapitalisten der Alpen gesehen, die für noch mehr Profit Land und Leute verkaufen. Selber schuld? Vermutlich.
Hat die Branche doch bisher primär mit noch mehr Pistenkilometern, Skischaukeln und Schneekanonen geprahlt. Ihre Ansagen klangen oft technik- bis selbstverliebt. Der grüne Anstrich fehlte gänzlich. Obwohl die Branche binnen zehn Jahren 20 Prozent ihres Energiebedarfs eingespart hat, giften sich Seilbahner, dass sie als Umweltzerstörer am Pranger stehen.
Jetzt sollen Pumpspeicherkraftwerke, die zu Spitzenzeiten Strom an Haushalte liefern, das Image aufpolieren. Gebaut werden diese an Speicherseen, die damit nicht nur für die Skifahrer von Nutzen sind. Sondern auch für die Ökobilanz und die Einheimischen, deren Tourismusgesinnung vielerorts ohnehin im Keller ist.
Eine Imagekorrektur ist dringend nötig, will man künftig Gäste für die Region – und Mitarbeiter aus der Region – gewinnen. Über die gute Buchungslage jubeln und gleichzeitig nach Fördergeldern rufen (zuletzt wegen der Pandemie, aktuell wegen der gestiegenen Energiepreise) bringt keine Sympathiepunkte. Weder bei potenziellen Mitarbeitern noch ganz generell beim Steuerzahler.
Für die Branche gilt jetzt mehr denn je die alte Weisheit: Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.
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