ORF & Social Media: Kniefall ins Leere

ORF-Chef Wrabetz lieferte in vorauseilendem Gehorsam etwas ab, was sogar der Politik zu weit geht.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Sebastian Kurz ist der Meister des Timings. So elegant wie er hat noch kein Politiker einem ORF-Gerneraldirektor in laufender Fahrt die Luft ausgelassen: Wrabetz hatte auf Druck der Koalitionsparteien endlich ein neues Social-Media-Regelwerk angekündigt und dieses so streng formuliert, dass vielen der Atem stockte. Würde man dies so umsetzen, wäre den ORF-Mitarbeitern auf Twitter und Facebook wenig mehr erlaubt, als über das Wetter zu befinden.

Der Kanzler hatte zwei Möglichkeiten: Zu schweigen und sich darüber zu freuen, dass lästige Kritiker mit ordentlicher Social-Media-Reichweite nun verstummen müssten; oder einen unerwarteten Freistoß zu verwandeln. Er entschied sich für Zweiteres, verwies auf das „hohe Gut“ Meinungsfreiheit und brachte damit den roten Generaldirektor in eine bizarre Situation: Der Kanzler einer rechten Regierung, der selbst immer wieder mit Journalisten aneinandergerät, ermunterte ihn zum Maßhalten im demokratischen Miteinander.

Das Spiel mit doppeltem Boden zwischen Politik und ORF ist um einen Höhepunkt reicher. Wenn die Regierungsspitze, die im entpolitisierten ORF keinerlei Mandat hat, als Retter der journalistischen Belegschaft auf den Plan tritt, ist endgültig alles im Rutschen.

Wrabetz hat einen wichtigen Ball ins Out befördert – im Stiftungsrat, dem obersten ORF-Gremium, ist man von seiner Managementleistung ohnehin nicht angetan und der Kniefall ins Leere vor Schwarz und Blau hat ihn wohl endgültig desavouiert. Die Regierung hätte damit ironischerweise ein weiteres starkes Argument, diesen ORF endgültig neu aufzustellen. Im Lichte dessen kann Kurz mit ein paar lästigen Tweets sicher gut leben.

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