Wer sich Viktor Orbáns Kurzvideos auf X (vormals Twitter) ansieht, vermeint schon fast die apokalyptischen Reiter galoppieren zu hören: Da warnt der rechtsnationale ungarische Regierungschef vor „überhandnehmenden Migrantengettos“, vor Bandenkriegen, die Europa überziehen, und davor, in „Soros’ Schuldknechtschaft“ zu landen. Diese und ähnliche Propagandabotschaften lösen in Brüssel nur noch Schulterzucken aus: Das kennt man mittlerweile, so sei eben Orbán, der immer grober aus seiner Rolle als europäischer Mitspieler herausfällt.
Nach jahrelangem, hilflosem Zusehen, wie Orbán Stück um Stück Ungarn das „Liberale“ abräumte, hatte Brüssel im Vorjahr gehofft, endlich eine probate Strafe gegen den Vorbeter der „illiberalen Demokratie“ gefunden zu haben: Mehr als 20 Milliarden Euro hält Brüssel zurück. Bis – so die Hoffnung – das System Orbán wieder auf den gemeinsamen europäischen Weg zurückfindet.
Der Haken dabei:
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Gibt es kein EU-Geld für Ungarn, legt sich Orbán quer. Und das noch dazu in einer Frage, die die Zukunft Europas über Jahre hinaus entscheidend beeinflussen wird: Beim EU-Gipfel in drei Wochen soll nicht nur über den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine entschieden werden, sondern auch – und das ist aktuell viel wichtiger – über die Genehmigung von 50 Milliarden Euro für das kriegsgeplagte Land.
Ohne diese Milliarden kann die Ukraine keine Löhne zahlen, keine Spitäler erhalten, keine Verwaltung, sprich keinen Staat führen. Wie jeder andere EU-Staat auch hat Ungarn das Recht, hier ein Veto einzulegen. Aber anders als die anderen 26 Staaten droht Orbán genau dies zu tun.
Ein unsauberer Deal
Bis zur letzten Minute vor dem EU-Gipfel wird er pokern – und möglicherweise damit Erfolg haben. Brüssel dürfte zumindest einen Teil der Gelder für Ungarn freigeben, die Rede ist von bis zu 13 Milliarden Euro.
Das mag unsauber anmuten: Ungarn beendet seine Blockade und wird dafür mit europäischen Strukturhilfen belohnt.
Doch wegen Orbáns Foulspiel die ganze europäische Ukraine-Politik zu gefährden, kann sich Brüssel nicht leisten. Da sind die unter Zähneknirschen zu überweisenden Milliarden an Budapest das kleinere Übel.
Doch dass sich Orbán überhaupt so weit vorwagt, die europäische Ukraine-Politik zu sprengen, hat auch andere Gründe: Die Unterstützung für die Ukraine beginnt zu erlahmen. Die ukrainische Gegenoffensive brachte längst nicht den erhofften Geländegewinn; in den USA blockieren die Republikaner die milliardenschweren Militärhilfen.
Fallen aber die USA aus, kann und wird die EU dies nicht mehr ausgleichen. Ein altgedienter Politfuchs wie Orbán ahnt sehr wohl, dass sich der Wind in der europäischen Ukraine-Politik zu drehen beginnt. Orbáns Veto-Drohung – sie ist ein schlechtes Omen für die Ukraine.
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