Blau-Türkis ist noch lange nicht auf Schiene
Martin Gebhart
05.01.25, 19:00Letztlich gibt es für Bundespräsident Alexander Van der Bellen keinen anderen Ausweg mehr. Er muss sich am Montag mit FPÖ-Chef Herbert Kickl treffen und es wird ihm auch nichts anders übrig bleiben, als dem blauen Wahlsieger den Auftrag zu erteilen, eine Koalition zu finden und eine neue Bundesregierung zu bilden. Das Zerbrechen der türkis-rot-pinken Verhandlungen hat jegliches andere Taktieren ad absurdum geführt. Jetzt ist Herbert Kickl am Zug.
Zu erwarten ist, dass er die ersten Gespräche mit der ÖVP führen wird. Und da trifft er nun auf den neuen ÖVP-Bundesparteiobmann Christian Stocker. Dieser hatte in den vergangenen Jahren Herbert Kickl immer wieder scharf attackiert, nicht nur im Wahlkampf. Wie das atmosphärisch gelöst wird, ist spannend. Andererseits hat Stocker zu Führungskräften in der FPÖ - speziell zu Generalsekretär Michael Schnedlitz, mit dem er im Wiener Neustädter Gemeinderat in einer Koalition ist - eine doch gute Gesprächsbasis.
Letztlich wird es ohnehin nicht davon abhängen, ob sich Herbert Kickl und Christian Stocker persönlich gut verstehen oder nicht. Es sind inhaltliche Fragen, die zu klären sind, ehe ein Koalitionsvertrag unterschrieben wird. Da geht es nicht um die Wirtschaft oder die Integration. Da können die Programme von FPÖ und ÖVP übereinander gelegt werden, da wird man sich schnell einig sein. Wer glaubt, dass das schon reichen wird, liegt weit daneben. Es sind ganz andere Themen, über die Blau und Türkis stolpern könnten.
Da ist einmal das Papier, das Herbert Kickl bei seinem Vieraugengespräch mit Karl Nehammer auf den Tisch gelegt und das in der ÖVP für viel Verärgerung gesorgt hat. Dieses Papier muss der FPÖ-Chef zerreißen, falls er Kanzler einer blau-türkisen Regierung werden will.
Darin war etwa die Bezeichnung EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) statt EU (Europäische Union) zu finden. Dazu soll es die Forderung gegeben haben, aus allen internationalen Verträgen auszusteigen. Und natürlich will die FPÖ, dass das Raketenabwehr-Projekt Sky Shield gestoppt wird. Das sind drei Punkte, bei denen die ÖVP nicht mitgehen wird können.
Ein heikles Thema ist sicherlich auch das Innenministerium. Wie wird es besetzt, was soll dort geändert werden? Dass Herbert Kickl dort von der ÖVP entfernt wurde, ist für ihn noch immer ein wunder Punkt. Dazu kommt der Verfassungsschutz, der wegen Kickl neu aufgestellt worden ist. Deswegen schwingt beim blauen Parteichef noch immer sehr viel Persönliches mit, wenn es um dieses Sicherheitsressort geht.
Es müssen jedenfalls noch einige Brocken weggeräumt werden, will man zu einer blau-türkisen Einigung kommen. Dass sich FPÖ und ÖVP als bürgerliche Parteien sehen, wird da nicht reichen. Diese Brocken sind mindestens so schwer wie jene, die Türkis-Rot-Pink verhindert haben. Der große Unterschied: Jetzt ist Herbert Kickl am Zug, jetzt muss er schauen, dass ein Verhandlungsergebnis zustande kommt.
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