NÖ-Wahl: Der Verlust der Stammtische
Martin Gebhart
29.01.23, 19:36Wer die großen Wahlverlierer in Niederösterreich sind, liegt auf der Hand: ÖVP und SPÖ. Wen das auch im Bund treffen wird, ist nicht so klar. Voraussichtlich nur die SPÖ.
Die ÖVP hat zwar ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren, am Ende ist sie aber immer noch so stark, dass ohne sie eine Koalition kaum möglich ist. Blau-Rot oder Rot-Blau ist durch die Verluste der Sozialdemokraten unmöglich geworden. Und sowohl die Grünen als auch die Neos haben im Vorfeld klar gemacht, dass sie eine Mehrheit mit der FPÖ unter Udo Landbauer nicht stützen werden. Für Kanzler Karl Nehammer bedeutet das: Seine ÖVP hat zwar in Niederösterreich einen herben Rückschlag erlitten, sie wird aber wohl weiterhin die Landeshauptfrau stellen. Womit das für ihn wichtigste Bundesland nicht verloren gegangen ist. Das ist zwar für die türkis-grüne Bundesregierung kein Rückenwind, aber auch kein Stolperstein.
Bei der SPÖ sieht es anders aus. Da konnte man aus der Niederlage der ÖVP erneut nicht Kapital schlagen. Schon in Tirol war man weit hinter den Erwartungen geblieben. Diesmal ist es ein Desaster. Nur noch Platz drei und ein Minus auf einem ohnehin schon bescheidenden Niveau. Da wird sich auch in der Wiener Löwelstraße etwas ändern müssen, um nicht in Kärnten und Salzburg mit ähnlich negativen Aha-Erlebnissen konfrontiert zu werden.
Für Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wird so die Luft immer dünner. Es fehlt eine klare Parteilinie. Diese ist zerrissen zwischen dem Modell des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Babler, der für einen Linkskurs steht, war mit seinem Ein-Mann-Wahlkampf erfolgreich. Doskozil – migrationspolitisch rechts, wirtschaftspolitisch links – gilt als Rendi-Wagners Widerpart.
Wirklich triumphieren konnte am Wahltag nur die FPÖ. Deren Spitzenkandidat Udo Landbauer war vor fünf Jahren in Wien bereits abgeschrieben worden. Jetzt hat er mit Bundesparteiobmann Herbert Kickl im Rücken seine Freiheitlichen auf den zweiten Platz geführt. Es gibt viele Gründe dafür. Von den Nachwehen der Corona-Lockdowns über die Teuerungen bis hin zur Energiekrise: Das alles hat sich in den Stimmen für die FPÖ wiedergefunden.
Und dann ist da noch ein – entscheidender – Punkt. Die ÖVP-Funktionäre sind an den Stammtischen offensichtlich nicht mehr so durchgedrungen wie bisher. Viele Menschen winkten sofort ab, sobald man auf die Politik zu sprechen kam – und wählten dann blau. Von der Art und Weise, wie in Wien Politik gemacht wird, wollen viele nichts mehr wissen.
Befeuert wurde das auch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Andeutung, Herbert Kickl auch bei einem Wahlsieg nicht zum Kanzler machen zu wollen.
Kommentare