Nicht nur der Twitter-Vogel ist tot - und warum das eine Chance ist

Illustration von Elon Musks Twitter-Profil auf einem Smartphone und gedruckten Twitter-Logos.
Im Silicon Valley lösen sich gerade Milliardenwerte und Heilsversprechen in Luft auf. Diese Gelegenheit muss ergriffen werden.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Soviel buntes Feuerwerk wie bei Elon Musks Twitterfiasko gibt es sonst nur in Disneyland: Jeden Tag knallt es, und man sieht fast nichts mehr vor Rauch.

Wenn doch etwas durchschimmert, mag man es kaum glauben: Mit einem sexistischen und, freundlich gesagt, juvenilen Bild einer nackten Frau, die an entscheidender Stelle dankenswerterweise das vogelförmige Twitter-Logo trägt, versucht Musk Donald Trump dazu zu verlocken, wieder auf Twitter zurückzukehren.

Wer je eine Illustration dafür gesucht hat, dass es ein demokratiepolitischer Kardinalfehler war, dem Bubenclub des Silicon Valley wichtige Aspekte des Gemeinwesens zu überlassen – hier ist sie.

Aber nicht nur dieser Vogel ist tot: Manch anderer Tech-Oligarch wird froh sein über diese lautstarke Selbstdemontage.

Denn dahinter lässt sich blendend verstecken, dass sich in der gesamten Branche derzeit Milliardenwerte und Heilsversprechen in Luft auflösen. Meta, die Mutter von Facebook, ist nicht einmal mehr unter den Top-20-Firmen der USA; letztes Jahr war sie mehr als eine Billion Dollar wert, jetzt sind es 270 Milliarden. Mark Zuckerberg selbst ist um schlappe 71 Milliarden Dollar ärmer.

Wer noch mit Musk zum Mars fliegen will, sollte seine Gabe zur Risikoabschätzung vielleicht neu bewerten.

Von Jeff Bezos’ penisförmigen Raketenplänen hat man zuletzt wenig gehört. Dafür wurde der Sprachassistent Alexa zum Milliardengrab

Auch im Streaming-Fernsehen ist die Goldgräberstimmung längst vorbei: Disney muss den Ex-Chef zurückholen, weil dessen von ihm aufgebauter Nachfolger versucht hat, mit rosaroter Einfärbung Milliardenverluste beim Streaming schönzureden.

Amazons Prime Video will eine Milliarde Dollar in eine Serie über obskure Teile des „Herr der Ringe“-Universums stecken. Selbst als Fantasy-Fan muss man hier an Zauberei glauben, damit sich das je rechnet.

Eine angekündigte medizinische Tech-Sensation führte direkt ins Gefängnis. Die Smartphone-Innovation stagniert seit Jahren. Die nächsten Goldminen – künstliche Intelligenz, das Metaverse, echtes autonomes Fahren – sind Jahre bis Jahrzehnte entfernt.

Und die Konkurrenz aus China wird, trotz rigider Kontrollen durch das Regime, immer größer – Teenager lieben TikTok, nicht Instagram (und über Facebook lachen sie).

Macht ja nichts, könnte man sich denken. Das stimmt aber nur bedingt: Vieles aus dem Silicon Valley hat Milliarden damit gemacht, Gesellschaftsstrukturen zu kapern. Und dabei viel zerhaut: Den Werbemarkt für Medien, etwa; ebenso die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung und die Wehrhaftigkeit gegen böswillige Propaganda. Zeit, diese Bereiche wieder zurückzuerobern – und sie sich nicht ein zweites Mal aus der Hand nehmen zu lassen.

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