Hilfe, mein Dachdecker wurde entführt!

Hilfe, mein Dachdecker wurde entführt!
Handwerker sind schwer zu bekommen. Was manche zum Äußersten treibt
Anja Kröll

Anja Kröll

Kriminell. Mein Dachdecker wurde Opfer eines Entführungsversuches. Kann ich aber auch gut verstehen. Wohnen Sie einmal nach einem Jahrhundertwinter in der betroffenen Bergregion. Da bleibt nicht nur kein Stein auf dem anderen, sondern auch kein Dachziegel.

Was den Dachdecker zum Goldbarren des Handwerkergewerbes macht. Heiß begehrt und schwer zu bekommen. Wenn Sie also im April nach Abschmelzen des Schnees und Sichtbarwerden der Dachschäden besagten Dachdecker mit leichter Verzweiflung kontaktieren und dieser antwortet, er komme – wenn alles gut geht – Ende September oder Anfang Oktober, dann sagen Sie? Du bist der Beste, danke!

Wenn es dann Ende September wird und der Dachdecker OHNE Vorankündigung einfach vor Ihrer Haustür steht – in Zeiten von Homeoffice werden telefonische Voranmeldungen heillos überschätzt – dann sagen Sie? „Magst an Kaffee?“

So ein Dachdecker bleibt im Bergdorf aber nicht unbemerkt. Weil so oft turnen Menschen hier nicht auf Dächern herum, eher auf Bergen. All jene mit Dachschaden (wir reden immer noch von Gebäuden), die also nicht beim Einsetzen der Schneeschmelze zum Hörer gegriffen haben, nutzen nun die Gunst der Stunde und machen zufällig Hausbesuche. Ohne Ankündigung versteht sich.

In Wahrheit wollen Sie aber nur eines: den Dachdecker für eigene Projekte kidnappen. Mit Sätzen wie: Du, kannst du ganz kurz; ich hätte da nur; dauert auch nicht lange.

Was sagt der in sich ruhende Dachdecker? „Ganz schlecht. Ich hab‘ erst nächstes Jahr wieder Zeit.“ Um sich eine Minute später an die Bauherrin zu wenden: „Jetzt mag I an Kaffee.“ Dann sagen Sie: Gerne! Und denken: Der wahre Zenmeister des Daches.

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