Die, die in der pharmazeutischen Industrie getroffen wurden, ähneln markant jenen in anderen Branchen. Produktionsschritte, die weniger Gewinn versprechen, werden bereitwillig in Billiglohnländer ausgelagert. Dummerweise ist das Fehlen von Pkw-Kabelsträngen oder Computerchips nicht so schmerzhaft wie das Fehlen wichtiger Medikamente – und das im wortwörtlichen Sinn. Dass jetzt Krebspatienten oder chronisch kranke Kinder ohne jene Schmerzmittel auskommen müssen, die ihnen einen lebenswerten Alltag ermöglichen, ist ein Umstand, für den man sich im siebentreichsten Land der Welt eigentlich nur genieren kann.
Wer sich jetzt bei Medikamentenherstellern oder Vertriebsfirmen kundig macht, stößt – wie bei der erwähnten Party – auf eine Vielzahl von Erklärungen und Schuldzuschreibungen. Da wird alles von der Corona-Pandemie bis zum Mangel an Containerschiffen verantwortlich gemacht.
Politik vs. Marktwirtschaft
Doch Globalisierung, also jenes Phänomen, das den neuen Wirtschaftsgiganten China und Indien quasi Monopolstellungen in vielen Bereichen der Industrie- und damit auch der Medikamentenproduktion verschafft hat, ist kein Naturgesetz. Sie ist das Produkt bewusster Entscheidungen von Spitzenvertretern aus Wirtschaft und Politik. Dass Konzerne versuchen, ihren Gewinn zu maximieren, ist eine Grundregel der Marktwirtschaft. Dass aber die Politik dieser Marktwirtschaft Spielregeln vorgibt, ist ebenso eine Grundregel, und ohne die wäre das europäische Model des Sozialstaates nicht möglich gewesen.
Mit großzügigen Förderungen und Steuererleichterungen rittern westliche Staaten um Industriesparten von der Auto- bis zur Computerindustrie, drücken bei Umweltbestimmungen gerne einmal ein Auge zu. Dass wesentliche Teile der Medikamentenherstellung aus Europa abwanderten, war kein Geheimnis. Dass man sich dabei in die Hände von Diktaturen wie China begab, die ihre Wirtschaftsmacht, ohne zu zögern, auch für ihre weltpolitischen Ziele einsetzen, schien niemanden zu kümmern. Aber schließlich denkt auch bei der Teenager-Party niemand an die Eltern – bis sie plötzlich in der Tür stehen.
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