Herzlich wenig.
Die Schule ist schon lange offen
Dass die Krise die Schüler (ebenso wie Lehrer und, ja, auch Eltern) vor Herausforderungen stellte und stellt, das zieht niemand in Zweifel.
Vor allem während der ersten Lockdowns, in denen die Schulen tatsächlich geschlossen waren und der Fernunterricht mehr als holprig anlief, fielen viele Jugendliche in ein tiefes Loch. An die Wissensvermittlung via Videokonferenz musste man sich erst gewöhnen, die wichtige soziale Komponente des Schulbesuchs fehlte schmerzlich.
Der Blick auf das laufende Schuljahr zeigt aber: Die Bedingungen haben sich deutlich gebessert. Pauschal geschlossen waren die Schulen bereits seit Frühjahr 2021 nicht mehr. Nur falls Corona-Fälle in einer Klasse nachgewiesen werden, muss diese - und nur diese - kurzzeitig ins Homeschooling wechseln. Das ist mühsam, aber verkraftbar.
Achtsame Prüfer
Dass sich der Protest ausgerechnet gegen die mündliche Matura richtet, ist überdies in mehrerlei Hinsicht falsch.
Anders als der schriftliche Teil der Reifeprüfung wird der mündliche nicht zentral über das Bildungsministerium erstellt. Das heißt: Gerade bei der mündlichen Matura haben die Prüfer der jeweiligen Schule noch besser die Möglichkeit, individuell auf die Bedürfnisse ihrer Maturanten einzugehen.
Sie wissen, in welchen Wissensgebieten und Bereichen es in den jeweiligen Klassen pandemiebedingt Lücken gibt - und können die Prüfungsfragen dahingehend anpassen. Achtsame Lehrer werden das jedenfalls tun.
Auch politisch ist das gedeckt: Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hat sowohl für die schriftliche als auch für die mündliche Reifeprüfung bereits "Erleichterungen" angekündigt.
Die wichtigste Prüfung
Zudem entgeht den jungen Menschen ohne mündliche Matura eine der vielleicht wichtigsten (schulischen) Erfahrungen ihres Lebens. Während das (Auswendig-)Lernen großer Stoffmengen für die schriftliche Reifeprüfung durchaus kritisch hinterfragt werden darf, geht es im mündlichen Teil um weit mehr.
Hier gilt es, Wissen und Inhalte verständlich vorzutragen und sich selbst zu präsentieren. Genau diese Kompetenz werden die Schülerinnen und Schüler später im Berufsleben wirklich benötigen.
Dass ein Teil der Demonstranten, die den türkisen Bildungsminister nun zum Rücktritt auffordern, hauptsächlich parteipolitische Interessen im Sinn hat, sei am Rande erwähnt. Die SPÖ-nahe AKS (Aktion kritischer SchülerInnen) versucht hier ungeniert, unter dem Deckmantel der Pandemie eine ideologische Bildungsdebatte zu betreiben. (Dass der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried mitdemonstrierte, passt da gut ins Bild.)
Zurück zur Normalität
Am Ende spricht noch ein Argument für die Rückkehr zur verpflichtenden Matura: Wenn wir als Gesellschaft zurück zur Normalität wollen, müssen wir diesen Weg auch mutig beschreiten. Im Krisenmodus zu verharren, wird uns nicht weiterbringen.
Übrigens: All jene Maturanten aus dem Jahr 2020, die Nachteile auf dem Arbeitsmarkt befürchteten, können ganz beruhigt sein. Die wenigsten Arbeitgeber werfen überhaupt einen Blick auf das Maturazeugnis. Was beim Jobeinstieg oft viel mehr zählt, sind Interesse, Begeisterung und Leistungsbereitschaft. Auch darüber könnten die Demonstranten einmal nachdenken.
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