Aber kann man die Menschen zu ihrem Glück zwingen? Tatsache ist, dass der Staat in vielen Bereichen, die er für sein Funktionieren, für das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung und für gesellschaftlichen Zusammenhalt als essenziell erachtet, die Bürger in die Pflicht nimmt: von der Schul- über die Wehr- bis hin zur Steuerpflicht. Und dass er darüber hinaus durch Junktimierungen indirekte Verpflichtungen aufstellt, etwa durch die Koppelung von Sozialleistungen an die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Mit Freiwilligkeit allein lässt sich kein Staat machen – aber das zu sagen, ist natürlich unpopulär.
Das ist die eine Seite. Die andere ist das ambivalente Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zur Politik. Die Menschen – und die österreichischen in ganz besonderer Weise – erwarten alles und nichts von „denen da oben“. Zu- und Misstrauen sind gleichermaßen grenzenlos – und grenzenlos überzogen. Die Politiker sollen es richten – und gleichzeitig sind wir überzeugt, dass sie es vor allem sich selbst richten. Diese unerwachsene Haltung rächt sich in Krisenzeiten besonders. Not täte eine kritisch-mündige Perspektive jenseits von Obrigkeitsgläubigkeit und Verdammung.
Und noch etwas rächt sich gerade bei diesem Themenkomplex – und auch das ist hierzulande stärker ausgeprägt als in anderen Ländern: eine habituelle Wirtschafts- und Technik-/Technologieskepsis, wenn nicht -feindlichkeit. Diese „antikapitalistische“ Grundierung bestimmt auch ganz wesentlich den Blick auf Impfen & Co. Eine unselige Allianz von (Boulevard-)Medien und „Sozialisten in allen Parteien“ (Hayek) hat dafür gesorgt, dass „Konzerne“ und ihre „Profitgier“ unter Generalverdacht stehen; dass man auch hinter wissenschaftlichem und technischem Fortschritt primär ökonomische – und das heißt in dieser Lesart tendenziell inhumane – Interessen vermutet. In diesem Licht wird natürlich auch Impfgegnerschaft zum zivilgesellschaftlichen Statement gegen Big Pharma.
Das alles macht es der Politik nicht leichter. Ihr selbst ist freilich der Vorwurf zu machen, dass sie diese Haltung vielfach weiter befördert anstatt ihr entgegenzutreten. Die Rede von der Freiwilligkeit ist ein Beispiel dafür: Wer das Notwendige langfristig populär machen will, muss den Mut zum kurzfristig Unpopulären haben.
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