Mangel und Überschuss: Der Arbeitsmarkt im "Schweinezyklus"
Ende der Siebzigerjahre warnte man Maturanten davor: Bloß nicht Lehramt studieren, es gebe keine Jobs für Jungpädagogen. In den Neunzigerjahren wurde die Ärztekammer dann nicht müde, auf die Ärzteschwemme hinzuweisen. Mittlerweile haben wir zu wenig Lehrer und zu wenig Ärzte (auch aufgrund schwerer werdender Arbeitsbedingungen), dafür zu viele Juristen und WU-Absolventen. Was wiederum zu Studienplatzbeschränkungen und rigorosen Berufsaufnahmeprüfungen, etwa fürs Richteramt, geführt hat. Für diese Phänomene gibt es den wenig schmeichelhaften Ausdruck „Schweinezyklus“. Und eine Erkenntnis: Ja, es wäre schön, könnte die Politik Bildung am Reißbrett planen. Funktioniert aber leider nur beschränkt.
Viele Entwicklungen sind unvorhersehbar: Wer hätte gedacht, dass wir viel mehr Türkisch- und Arabisch-Dolmetscher brauchen? Oder dass niemand mehr Koch oder Kellner sein will? Oder dass auch ein „Orchideenfach“ eine Weltkarriere beflügeln kann? Studienabbrecher Steve Jobs besuchte einen Kalligrafie-Kurs, ohne den sein „ Mac“ wohl nie Kultstatus erreicht hätte.
Untätig darf die Politik dennoch nicht bleiben. Ist sie auch nicht. Seit Jahren wird zum Beispiel – leider eher vergeblich – für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) geworben: Der Arbeitsmarkt lechzt nach Absolventen. Irgendetwas läuft da im Schulsystem falsch, dass keine Begeisterung dafür aufkommt. Die Regierung ist auch gewillt, die Lehre aufzuwerten, echte Taten fehlen noch. Handwerkliche Tätigkeiten müssen mehr wert sein in der Schule. Dort kommen aber gerade Lehrerinnen und Lehrer abhanden. Weshalb auch Flexibilität gefragt ist: Warum nicht im zweiten Bildungsweg diesen Beruf ergreifen? Ein ganzes Berufsleben dasselbe tun: Das ist ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Aber sind die Menschen und vor allem unsere Vorschriften (und die Verwaltung derselben) flexibel genug dafür?martina.salomon
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