Lieb sein wird für die Grünen nicht mehr reichen
Das grüne Problem schaut, überspitzt formuliert, ja so aus: Wir holen keine Flüchtlingskinder aus Moria, machen Finanzminister Gernot Blümel die Mauer und verlängern den U-Ausschuss nicht, dafür schaffen wir ein Transparenzgesetz für eine saubere Politik und eine gläserne Verwaltung und stellen radikal die Weichen für den Klimaschutz für eine saubere Umwelt.
17 Monate und sieben Tage sind die Grünen nun in der Regierung. So wirklich Neues oder Großes vorzuweisen haben sie nicht. Das hat zwei gute Gründe. Zum einen natürlich die Pandemie, die seit März 2020 alles auf den Kopf gestellt hat. Zum anderen haben sich die Grünen mit den eingangs erwähnten Aufgaben zur Transparenz und zum Klimaschutz riesige, harte Bretter zum Bohren ausgesucht, die seit Jahren nicht angerührt werden, eben weil die Widerstände im Bund, der Landeshauptleute und der Landesregierungen, der Gemeinden, und nicht zuletzt beim Wahlvolk fast unüberwindbar scheinen. Stichwort: Bis 2030 müssen die -Emissionen aus dem Verkehr um mehr als fünfzig Prozent fallen.
Klimaministerin Gewessler betonte etwa beim Leuchtturmprojekt 1-2-3-Klimaticket in den vergangenen Wochen wiederholt, dass die Idee eines österreichweiten Öffi-Abos seit eineinhalb Jahrzehnten von rot-schwarz-blauen Regierungen im Regierungsabkommen steht, aber nie wirklich angegangen wurde. Immerhin: Einer Lösung so nahe wie jetzt war eine Bundesregierung noch nie. Doch das Ziel ist noch nicht erreicht.
"Besser die Richtigen"
Kogler selbst sprach die Zweifel des Mitregierens beim Bundeskongresses in Linz am Sonntag an: Ob es besser wäre, nicht zu regieren, statt falsch zu regieren, zitierte er den deutschen FDP-Chef Christian Lindner, der 2017 die Koalitionsverhandlungen mit dieser Begründung abgebrochen hatte. „Besser die Richtigen regieren, als die Falschen“, gab sich Kogler gleich selbst eine lobhudelnde Antwort.
Wenn sie weiter mitgestalten wollen, müssen die Grünen freilich in der Koalition bleiben. Wenn sie die Regierung sprengen – und an Gründen mangelt es sicher nicht–, besteht die große Gefahr, dass sie selbst schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken. Das weiß Kogler. Und auch den grünen Delegierten ist mehr als bewusst, dass in fünf Jahren in der Bundesregierung mit Sicherheit mehr umgesetzt werden kann als in 34 Jahren Opposition davor. Auch wenn sie dabei größere Kompromisse eingehen müssen, als der morgendliche Blick in den Spiegel eigentlich verträgt.
Nur müssen sie jetzt liefern: Klimaticket, Klimaschutzgesetz, Bürgerrat, Ökostromgesetz, Raus aus Öl und Gas, Transparenzpaket, Informationsfreiheitsgesetz. Weil spätestens beim Bundeskongress 2022 wird es den Delegierten nicht mehr reichen, nur lieb zu sein und freundlich zu lächeln.
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