Zwischen grün, glaubwürdig und gfeanzt

ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer, grüne Klimaministerin Leonore Gewessler
Mehr Koalitions-Eskalation geht nicht: Hier der Kanzler, der sich nicht überstimmen lassen will, da die grüne Galionsfigur Gewessler, die gegen ÖVP-Linie und für die Renaturierung stimmte.
Johanna  Hager

Johanna Hager

Well, that escalated quickly.“ Vom „Besten aus beiden Welten“ ist nichts übrig. Die Koalition liegt in Trümmern. Auf offener Bühne werden seit Sonntag Ränke- und Statusspiele in Reinkultur geboten. In den Hauptrollen: die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler und ÖVP-Regierungschef Karl Nehammer.

Die Rollenverteilung ist klar: Hier die grüne Galionsfigur, die für Renaturierung und damit gegen den Koalitionspartner stimmt.

Die sagt, sie sei sich der Konsequenz ihres Handelns bewusst, könne eine andere Entscheidung aber – wie so oft – nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Die die Märtyrerin gibt und für die grüne Kernwählerschaft an Glaubwürdigkeit nicht zu übertreffen ist.

Auf der anderen Seite der Kanzler, der sich Bauernbund wie Landwirtschaftskammer verpflichtet fühlen muss, will er bei seiner ersten Nationalratswahl als ÖVP-Chef reüssieren. Der sich von einer grünen Ministerin qua Amt nicht überstimmen lassen kann, will er unter den Seinen als Chef, der sich durchsetzt, gelten.

In den ÖVP-Nebenrollen erst Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, dann Landeshauptleute wie Vorarlbergs Markus Wallner, der bereits am Sonntag von einem „klaren Koalitionsbruch auf Bundesebene“ spricht, und zum Auftakt am Montag: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.

Kaum ist das EU-Renaturierungsgesetz dank grüner Zustimmung und gegen den Willen der ÖVP durch, bringt Stocker, seines Zeichens Rechtsanwalt und mehr Partei-General denn Sekretär, für die ÖVP eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Gewessler ein.

Mehr Eskalation in einer noch aufrechten Koalition geht nicht und gab es in der Zweiten Republik bis dato nicht.

Dabei hatte man sich hinter den Koalitionskulissen darauf verständigt, ab dem 3. Juli (letzter Ministerrat vor dem Sommer) in den Wahlkampf und damit de facto aus der Koalition zu gehen, um bis zum 29. September um Stimmen zu buhlen. Dass dieser Plan nicht halten wird, das hätte der ÖVP seit einigen Wochen klar sein müssen. Spätestens als parallel zum steten Rumoren um die Renaturierung Postenwünsche laut wurden.

Als Vizekanzler Werner Kogler vom türkis-grünen Sideletter nichts mehr wissen wollte und statt ÖVP-Kandidaten wie Karoline Edtstadler und Magnus Brunner partout Gewessler als Nachfolgerin von EU-Kommissar Johannes Hahn ins Treffen führte – wie zuletzt im Presse am Sonntag-Interview.

Warum die Voraussetzungen für den Sideletter „weggefallen sind“, das werde er „jetzt öffentlich nicht erörtern“. Erklären wird er sich aber müssen – ebenso wie der Kanzler. Und das gemeinsam. Wie das Land nämlich über die kommenden Wochen geführt werden wird, das liegt in Nehammers und Koglers Händen. Ebenso, ob sie als verantwortungsvolle Volksvertreter, als die sie sich stets definieren, in die Wahl gehen oder als gfeanzte Gegner. Derzeit scheint Letzteres der Fall.

Kommentare