Aufgrund hohen Zuzugs und der Geldflucht in „Betongold“ sind in den vergangenen Jahren lieblose, viel zu verdichtete Neubauten nur so gewuchert. (Der Karl-Marx-Hof ist dagegen Architekturjuwel und grüne Oase.) Dafür wird das Grün im Zeichen der „Klimafitness“ dorthin ausgelagert, wo es nichts verloren hat, in Wien zum Beispiel am Neuen Markt und nun auch am Michaelerplatz. Niemand würde auf die Idee kommen, auf der Piazza Navona in Rom oder auf der Grand-Place in Brüssel Bäume zu pflanzen, schreiben 100 Unterstützer eines offenen Briefes zu Recht, wenn auch zu spät. Denn was Wiens Stadträtin Ulli Sima einmal geplant hat, ist sozusagen in Beton gegossen: Neun Bäume, Gräserbeete und ein Wasserspiel mit 52 Bodendüsen sollen eine „urbane Wohlfühloase“ aus dem Michaelerplatz machen. Den – wenn auch vom Stararchitekten Hollein geplanten – Sicht-Schacht zu den nur mäßig interessanten Ausgrabungen zuzuschütten, wäre sinnvoller gewesen, doch das wagt niemand.
Wie auch niemand eine Entrümpelung von Stadt und Land im Sinne der zitierten „Schönheit“ wagt: Sind die vielen Plakatständer, die Imbissbuden, die gestalterisch fragwürdigen Wiener Trinkbrunnen und die EKZ-Stadtrandwucherungen wirklich alle notwendig? In den Gemeinden bleiben leere Geschäfte, Wettbüros, Souvenirshops und immer trauriger werdende Gastronomie zurück. Eine paradoxe Entwicklung: Am Land wird die Nahversorgung zerstört, ohne Auto geht nichts mehr. Während die Stadt zur Provinz wird, wo alles dem Radwegebau untergeordnet wird und Kinder (lebensgefährlich) in Lastenfahrräder gepackt werden, um damit gegen die Einbahnen anzustrampeln.
Der unsensible und respektlose Umgang mit Landschaft und Architektur könnte das Land auch touristisch uninteressanter machen. Während in Städten wie Berlin und Budapest Altes sogar wieder errichtet wird, ziehen in einst stolze Wiener Bankzentralen x-beliebige Supermärkte ein. Markthallen und alte Bahnhöfe wurden abgerissen, und nur selten entsteht dafür spannendes Neues, manchmal sogar Entsetzliches, wie das (unfertige) Monster am Franz-Josefs-Bahnhof. Österreich versinkt im Mittelmaß und merkt es nicht einmal.
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