Die kleine Welt, die in Malmö geprobt wurde, war nämlich beklemmend einfach gestrickt: Israel böse, und da ist es dann auch okay, wenn man eine 20-jährige Sängerin bedroht, verfolgt und auf der Bühne mobbt. Wenn Künstler einander niedermachen. Wenn man den Besuchern „Schämt euch“ zuruft, obwohl gerade die Scham eines jener antiken Machtinstrumente ist, an deren Abschaffung der Song Contest federführend mitbeteiligt war.
Der Niederländer Joost Klein wiederum ist in dieser kleinen Welt gut. Dass er eine Kamerafrau aggressiv angegangen haben soll, soll da im „Frieden und Toleranz“-Zirkus plötzlich kein Problem sein. Man pocht auf die Gerichtsbarkeit: So lange Klein nicht verknackt ist, soll er auftreten, wurde nach seiner Disqualifizierung suggeriert. Als ob das Strafrecht die einzige Grenze wäre, die unser Zusammenleben bestimmt. Das ist veralteter Unsinn.
Der Song Contest zeigte also, wie bereits eroberte Prinzipien sofort fallengelassen werden, wenn es in den Kram passt. Wie leicht man in eine Spirale des Destruktiven eintritt, wie viel Zuspruch das Zerstören bekommt, wenn es nur ideologisch auf der „richtigen“ Seite passiert.
Und das ist immer die eigene.
Ausgerechnet der Song Contest zeigte, was in den westlichen Demokratien falsch läuft: Immer mehr Menschen verfangen sich in der zerstörerischen Sichtweise, dass sie die Welt durchschaut haben. Die Politiker? Alle schlecht (außer die, die ich wähle). Die Medien? Alle gekauft (außer sie schreiben das, was ich denke). Die Jungen? Alle verwöhnt! Die Alten? Alles Problembären und Problembärinnen. Zu Israel und Palästina und Russland und Ukraine und Gendern und Identität, zum Nachbarn und den Zugereisten hat jeder längst seine Meinung, die man nicht hinterfragt, sondern sich bei jeder Gelegenheit im Internet bestätigen lässt.
Die demokratische Bevölkerung verfällt so in eine giftige Selbstgefälligkeit, die alle Antworten zu kennen glaubt. Und die Grautöne und Ambivalenzen nur als Zeichen der Schwäche sieht. Nur: Die Welt ist nicht so einfach. Wer sich simple Antworten gönnt, wird diese nur im politischen Populismus wiederfinden. Und wohin der führt, sieht man überall. Zuletzt besonders deutlich in Malmö.
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