Da mag Russlands Präsident noch so sehr gegen die baltischen Staaten grollen, seine Rote Linie kennt auch der Kreml- und Kriegsherr: Wer auch nur den allerkleinsten NATO-Staat überfällt – in dem Fall Island, das gar keine eigenen Streitkräfte hat –, der bekommt die geballte militärische Antwort aller 32 NATO-Mitglieder zu spüren.
Dieses gegenseitige Versprechen, einander mit aller Entschlossenheit und Kraft zu unterstützen, hat sich zumindest für den Jahrhunderte lang von Kriegen gezeichneten Westen Europas als äußerst segensreicher Daseinszweck erwiesen
Kein Krieg, keine Invasion, selbst die historischen Todfeinde Griechenland und die Türkei hielt die NATO durch das gemeinsame Dach in Zaum. Sie schützte Europa vor dem einst sowjetischen Expansionsdrang – und kaum war die eiserne Klammer des Warschauer Paktes zerfallen, da drängten sie alle, von Estland bis Bulgarien, von Polen bis zur Slowakei, ehebaldigst unter den Schutz der gemeinsamen Verteidigungsallianz.
Territoriales Freiwild
Denn sie alle wollten nie erleben, was die Ukraine seit nunmehr zwei Jahren durchleiden muss: Außerhalb der NATO zu stehen, kann bedeuten, territoriales Freiwild zu sein – sofern man einen Feind und Nachbarn wie Russland hat.
In ihrem Jubiläumsjahr ist die alte Dame NATO alles andere als greise: Sie hat zwei neue Mitglieder – Finnland und Schweden; sie rüstet auf; ist militärisch muskulöser aufgestellt, sie gibt mehr Geld für Verteidigung aus denn je. Zu verdanken hat sie diesen neuen Elan Wladimir Putin und auch Donald Trump.
Der Kremlherr führte der Militärallianz vor Augen, dass auch im 21. Jahrhundert konventionelle Kriege geführt werden können und die Frage wirkungsvoller Verteidigung niemals obsolet sein wird. Und der Ex-US-Präsident zwang die europäischen Verbündeten grob, rüde und drohend, wie es eben seine Art ist, endlich mehr in die Verteidigung zu investieren.
Die größte Herausforderung, die der NATO-Pakt heute vor sich hat, ist, ihren mächtigsten Pfeiler, die USA, stabil zu halten.
Ob der nächste US-Präsident nun weiter Joe Biden oder Donald Trump heißen wird – für Europa ist die 75 Jahre, kein bisschen alte NATO unverzichtbar. Und für das zu seiner eigenen Verteidigung kaum fähige Österreich erst recht.
Kommentare