Migration – oder die Mühen der Ebene

Es ist wohl kein Geheimnis, dass sich Magnus Brunner für seine Jahre in Brüssel ein anderes Betätigungsfeld gewünscht hätte als eines, bei dem es absehbar wenig zu gewinnen gibt und umso mehr Ärger, den man sich von allen Seiten einhandelt. Das Thema Migration wird von einer Waggonladung an ungelösten Problemen begleitet und einem Chor an Moralisten aller politischen Glaubensrichtungen, Besserwissern und Populisten, die daraus politisches Kapital schlagen.
Wenig überraschend hat es fast ein Jahrzehnt gedauert seit der Flüchtlingskrise 2015, bis sich die EU zumindest auf dem Papier auf ein Maßnahmenpaket einigen konnte. Doch sogar diese Einigung auf den Asyl- und Migrationspakt kam nur zustande, weil man viele der heikelsten Fragen mit Gummiparagrafen umschiffte. Welches Land hat sich wann und auf welche Weise für Ankömmlinge an Europas Grenzen verantwortlich zu fühlen? Darauf kann sich jede EU-Hauptstadt ihre eigene Antwort zurechtzimmern. Man nimmt Menschen auf und wickelt deren Asylverfahren ab, oder man begnügt sich damit, einem anderen Land mit einer Handvoll Polizisten auszuhelfen, oder leistet eine Abstandszahlung und kümmert sich nicht weiter um das Ganze.
Dazu kommt, dass kaum die Tinte auf diesem Asylpakt getrocknet war, als die Länder schon der Reihe nach begannen, aus ihm auszuscheren. Zuletzt Deutschland, wo man Grenzen dichtmacht, ohne die Nachbarn auch nur zu fragen, und zugleich offen über Zurückweisungen an diesen Grenzen diskutiert.
In diesen politischen Hexenkessel wird Magnus Brunner jetzt geworfen. Als Kommissar für Migration bekommt er von jedem EU-Land dessen Pläne für eine zukünftige Migrationspolitik vorgelegt und muss das mit jener der 26 anderen Staaten auf einen Nenner bringen. Sollte das nicht für ausreichend Arbeitsleid sorgen, wird die politische Rechte dem Vorarlberger bei jeder Gelegenheit die mangelnde Härte der EU-Asylpolitik vorhalten – und die Linke deren Unmenschlichkeit.
Dabei gäbe es in der Frage der Migration Tatsachen, die kein vernünftiger Entscheidungsträger mehr leugnen kann: Endlos verschleppte Asylverfahren sind für Menschen, die in Europa nach Arbeit suchen, ungeeignet. Kriminelle Asylwerber, oder solche die Integration verweigern, müssen Europa verlassen, weil sie eine unkalkulierbare Gefahr für unsere Gesellschaften darstellen. Der Asyl- und Migrationspakt setzt bei vielen dieser Überlegungen an. Umsetzen aber kann ihn Brunner nur, wenn er den politischen Querschüssen ausweicht und die Zwischenrufe ignoriert. Denn die stammen meist von jenen, die ausschließlich am Scheitern des Paktes interessiert sind. Denn ihnen sichert nur eines das politische Überleben – eine weiterhin nicht funktionierende EU-Migrationspolitik.
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