Der Grund für dieses Interesse ist schnell erklärt: Zu einer guten Generation von Spielern gesellt sich seit nunmehr zweieinhalb Jahren ein Trainer, von dessen Format sich zuvor noch keiner hierher verirrt hat. Dessen Projekt schien vergangenen Mai zu enden. Allerdings: Ralf Rangnick hat ein Angebot des FC Bayern München abgelehnt. Er hätte dort das Zehnfache seines ÖFB-Gehalts (rund 1,5 Millionen Euro) verdient und in der Champions League gespielt. Stattdessen hat er unlängst 14-jährige Kinder in Leithaprodersdorf und Horn trainiert, weil er sich mit Leib und Seele dem Projekt in Österreich verschrieben hat.
Er denkt groß, ist mit einem Remis gegen den Weltmeister nicht zufrieden und nutzt seine Strahlkraft, um Politiker vom Bau eines Stadions zu überzeugen, von dem er selbst nicht mehr profitieren würde. Er will Nachhaltiges schaffen, das noch lange nach seiner Ära Bestand haben soll.
Dort, wo Rangnick Mitstreiter findet, ist der Progress kaum aufzuhalten. In der Nationalmannschaft etwa, die zu mehr geworden ist als zu einer Truppe, die den Fußball-Großmächten das Fürchten lehrt. Österreichs Team mit Vorfahren aus Kenia, Ghana, Nigeria oder Serbien ist ein Paradebeispiel für Integration und ein Synonym einer bunten Gesellschaft, die durch das Leistungsprinzip immer stärker werden will. Sie tritt geschlossen auf und positioniert sich gegen Fremdenhass und die Spaltung unserer Gesellschaft. Sie animiert die Jugend zur Bewegung in einem Land, in dem jeder dritte Neunjährige übergewichtig ist.
Beim Österreichischen Fußball-Bund hat man den eigenen Glücksfall noch nicht verstanden. Der Präsident ignoriert des Teamchefs Worte, die Gesprächsbasis hinkt. Er führt den größten Sportverband des Landes wie sein Privatunternehmen und will für das 60-Millionen-Unternehmen, das von öffentlicher Hand gefördert ist, ohne Ausschreibung einen neuen CEO bestimmen. Er gefährdet Rangnicks Projekt.
Der Teamchef ist nicht nur Experte und Visionär, sondern auch ein Leader, wie man sie nicht genug nach Österreich holen könnte. Ganz egal, ob in Sport, Wirtschaft oder Politik: Man kann viel lernen von dieser Nationalmannschaft und ihrem Trainer, der nicht nur das nächste Spiel gewinnen will, sondern Weitblick beweist. Vielleicht schaut sich demnächst sogar die neue Bundesregierung etwas davon ab. Denn so, wie dieses Team ist, könnte auch Österreich sein.
Kommentare