„Wiederaufrüstung“ nennt er es, und die Wortwahl ist bei Emmanuel Macron ja nie Zufall. Weil die Französinnen immer weniger Kinder bekommen – im Schnitt nur noch 1,7 statt 2 wie noch vor zehn Jahren –, hat der Präsident zum Generalangriff auf Frankreichs Gebärmangel gerufen: Wer 25 wird, soll künftig gratis zum Fruchtbarkeitstest. So will Macron die – O-Ton – „Geißel der Kinderlosigkeit besiegen“, quasi einen staatlich finanzierten Babyboom auslösen.
Ja, Macrons Kriegsrhetorik ist hanebüchen, eine einzige Bauchpinselei der Rechtsextremen, die mit der Angst vor dem „großen Austausch“ durch kinderreiche Migranten Politik machen. Und auch seine Ideen kann man ignorieren, denn zurecht schreien viele Frauen, er solle sie nicht auf „nationale Gebärmaschinen“ reduzieren.
Aber eigentlich muss man Macron dankbar sein. Er stößt eine Debatte an, vor der viele die Augen verschließen, was nur den rechten Rand stärkt: Europa schrumpft, Europa altert, und das ist ein Problem – für die Altersvorsorge, den Wirtschaftsstandort, die Gesellschaft generell. Das Thema gehört aufs politische Tapet.
Gesellschaftliche Ursachen
Nur: Die Ursachen für die zunehmende Kinderlosigkeit sind primär nicht biologisch, sondern gesellschaftlich. Die Mehrheit der Französinnen verzichtet nicht aus Selbstzweck, Egoismus oder gar Faulheit auf Nachwuchs, sondern wünscht sich laut Umfragen nach wie vor drei (!) Kinder. Dennoch bekommen die meisten nur maximal zwei – weil das Geld trotz Vollzeitjobs hinten und vorne nicht reicht, und weil viele Frauen sagen, sie können die Doppelrolle einfach nicht mehr stemmen. Die Kinderlosigkeit hat vor allem mit dem Arbeitsmarkt zu tun: In Frankreich arbeiten die Frauen ziemlich rasch nach der Geburt wieder Vollzeit, die Kinderbetreuung ist billig und gut ausgebaut – der Großteil von Hausarbeit, Altenpflege und anderem „Mental Load“ bleibt dennoch an ihnen hängen. Richtig Karriere macht nur, wer es sich leisten kann – oder keine Kinder hat.
Das ist ein Teufelskreis, den die Frauen auch in Österreich nur zu gut kennen. Warum ist es im Jahr 2024 noch immer nicht normal, dass Frauen – und Männer! – Führungskräfte in Teilzeit sein können? Warum werden Männer noch immer schief angeschaut, nur wenn sie ein paar Monate bei ihren Kindern sein wollen?
Kinderlosigkeit ist nicht nur Frauensache, sondern geht beide Geschlechter etwas an – das ist nach wie vor ein großes Missverständnis. Ein „Fruchtbarkeitstest“ ist deshalb der genau falsche Ansatz. Wie wär’s mit einer familienfreundlichen Arbeitswelt? Oder sinnvollen Integrationsmaßnahmen? Das Problem des fehlenden „nationalen Nachwuchses“, auf den die Debatte ja abzielt, wäre damit auch gelöst: Eine Gesellschaft, die Bildungsaufstieg und damit echte Integration ermöglicht, müsste auch nicht so argwöhnisch auf kinderreiche Migranten schauen.
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