Jetzt ist es also passiert: Die FPÖ hat erstmals eine bundesweite Wahl gewonnen. Es war zwar bereits in allen Umfragen vorhergesagt worden, dass die Freiheitlichen mit Harald Vilimsky an der Spitze den ersten Platz einnehmen werden. So mancher Stratege der ehemaligen Großparteien war sich dennoch bis zuletzt sicher, dass es am Wahltag so einen blauen Dammbruch nicht geben werde. Diese Berater müssen nun ihre Politthesen im Papierkorb entsorgen und zur Kenntnis nehmen, dass so eine Reihung auch bei der Nationalratswahl im September möglich ist.
Ja sogar sehr wahrscheinlich, wenn man die Umfragen der vergangenen Monate als Grundlage nimmt.
Das blaue Wählerpotenzial ist derzeit ziemlich stabil und lässt sich trotz zahlreicher Vorwürfe in Richtung FPÖ und Herbert Kickl kaum beirren. Dass Harald Vilimsky mehr gegen als für die EU aufgetreten ist, hat den Erfolg nicht verhindert. Vielleicht sogar beflügelt. Auch wenn es nicht das ist, was man sich von einem Europa-Abgeordneten erwartet. Die Verbindungen von FPÖ-Vertretern zu dem mutmaßlichen Spionagenetzwerk rund um Jan Marsalek und Egisto Ott dürfte auch nicht geschadet haben. Genauso wenig die Kritik an der ehemaligen Werbeagentur von Herbert Kickl, der Ideenschmiede, und der Finanzskandal in Graz.
Es ist mittlerweile auch eine ganz andere FPÖ, der vor allem die ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ gegenüberstehen. In der Zeit von Jörg Haider waren die Blauen auch erfolgreich gewesen. Das war das aber nur dem Bundesparteiobmann zu verdanken. Mittlerweile haben sich die Freiheitlichen an der Basis neue Strukturen aufgebaut, sitzen in drei Landesregierungen und haben auch in den Gemeinden starke Ortsorganisationen. Und sie haben vor allem ihr eigenes Mediennetzwerk aufgebaut. Da lässt man sich von der Konkurrenz nicht mehr so leicht politisch aushebeln.
Für ÖVP und SPÖ wird es demnach ein schwieriges Unterfangen, den Kickl-Marsch an die Spitze im Herbst zu stoppen. Es reicht jedenfalls nicht, die sonntägliche Niederlage als bloße EU-Wahl zur Seite zu schieben und die starke FPÖ dem allgemeinen Rechtsruck in Europa zuzuschreiben. Gerade bei einer Europawahl müsste das Ergebnis in Österreich eigentlich komplett anders aussehen. Aber vielleicht ist gerade dieses historische FPÖ-Ergebnis jenes Schockerlebnis, das Türkis und Rot gebraucht haben, das sie ihre Strategien noch einmal überdenken lässt.
Noch dazu, wo beide Parteien ausgeschlossen haben, mit Kickl zu koalieren. Noch am Wahlabend hat ein hoher SPÖ-Landespolitiker auf X gepostet, dass es höchst an der Zeit sei, sich mehr mit den Ursachen des Wahlerfolgs der FPÖ zu beschäftigen als mit der FPÖ selbst. Eine Erkenntnis, die wohl viel zu spät kommt.
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