Andere Parteien könnten sich davon eine Scheibe abschneiden. Seit die Ampel angetreten ist, hat man immer wieder den Eindruck, einer dysfunktionalen Familie zuzusehen: Der Kleinste (FDP) stichelt, lässt die anderen auflaufen und stellt sie öffentlich bloß. Der Mittlere (die Grünen) versucht es allen recht zu machen, scheitert aber an eigenen Moralvorstellungen und der Realität. Und der Kanzler – nun ja, der agiert meist so, als ob ihn all das nichts anginge.
Man kann diesen inszenierten Dauerstreit als Polit-Folklore abtun, doch das wäre ein fataler Fehler. Deutschland steht vor der größten Krise der letzten Jahre; die Wirtschaft rumpelt unüberhörbar, die Infrastruktur bröckelt in peinlichem Ausmaß. Das wieder zu beheben, traut die Wählerschaft der Ampel – oder vor allem dem Kanzler – schon lange nicht mehr zu. Scholz tut aber auch dabei so, als ob ihn das nichts anginge: Nach den knapp 33 Prozent für die AfD in Thüringen erklärte er ernsthaft, das Kämpfen habe sich „gelohnt“. Für die SPD hatten da gerade 6,1 Prozent gestimmt.
Die Grünen haben als Erste erkannt, dass es Zeit für einen Neuanfang ist. Die Ergebnisse der Rechtsextremisten und der Populistin Sahra Wagenknecht kommen nicht aus dem Nirgendwo; und sie sind auch kein ostdeutsches Phänomen, wie gern behauptet wird. Sie fußen auf der überheblichen Selbstinszenierung, die alle drei Koalitionspartner betrieben haben.
Wer die politischen Ränder kleinkriegen will, muss glaubwürdiger werden. Die Grünen tun das, indem sie Robert Habeck Parteichefs mit mehr Strahlkraft zur Seite stellen. Er ist derzeit der Einzige, der die Grünen in alte Höhen führen kann: 18 Prozent hielten ihn für einen guten Kanzler, fast gleich viele wie CDU-Chef Friedrich Merz. Bei Scholz hingegen – immerhin Amtsinhaber – sind es nur blamable neun Prozent.
Es wird nicht lange dauern, bis auch in der SPD die Rufe nach einem Wechsel an der Spitze laut werden. Schon jetzt hätten viele gern Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten, doch Scholz ist stur – er hält sich für den einzigen roten Heilsbringer. Damit macht er sich genau zu einem jener Sesselkleber, die die Politik bleiern und abgehoben werden lassen. Er tut damit weder sich noch der Wählerschaft einen Gefallen – sondern nur Sahra Wagenknecht und der AfD.
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