"Pilger der Hoffnung": Das Heilige Jahr als Chance für die Kirche

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Das Heilige Jahr ist auch eine Chance für die Kirche, Menschen zu erreichen, die nicht zu ihrem innersten Kern zählen.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Es waren Bilder von ikonischer Wucht: der greise Pontifex im Rollstuhl, der an die sogenannte Heilige Pforte von St. Peter klopft, worauf sich die schweren Bronzeflügel öffnen und Franziskus in die Basilika geschoben wird, um dann die Christmette zu feiern. Ein Vergleich mit Weihnachten 1999 drängt sich auf: Auch der damalige Papst, Johannes Paul II., war schon von Alter und Krankheit gezeichnet, als er das Heilige Jahr 2000 einläutete.

Die vielfältige Symbolik des Öffnens einer – ansonsten zugemauerten – Türe erklärt sich von selbst, auch und gerade im christlichen Kontext. Dass Papst Franziskus am Stephanitag noch eine „Heilige Pforte“ in einem römischen Gefängnis persönlich öffnete, verdeutlicht, dass dieser Akt keine vom Leben abgehobene zeremonielle Handlung ist, sondern seinen Sitz im wirklichen Leben der Menschen hat – und eben auch jener, die, sei es selbst verschuldet oder nicht, aus der Bahn geworfen wurden.

Der Ursprung der heiligen Jahre liegt ja im jüdischen Erlass-/Jubeljahr (hebr. Jobel = Widder, aus dessen Hörnern das Instrument gefertigt wurde, welches zur Eröffnung eines solchen Jahres geblasen wurde): nach sieben (heilige Zahl) mal sieben Jahren sollte das fünfzigste Jahr in besonderer Weise begangen werden – im Zeichen von Freiheit und sozialem Ausgleich („Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus!“; Lev 25,10).

Das alles wird den wenigsten bewusst sein, welche in den kommenden Wochen und Monaten nach Rom pilgern und eine der Heiligen Pforten (neben der im Petersdom noch jene der Lateranbasilika, von Santa Maria Maggiore und von St. Paul vor den Mauern) durchschreiten. Aber sie sind – in einem engeren oder weiteren Sinn – jene „Pilger der Hoffnung“, welche der Papst zum Motto dieses Jahres erklärt hat.

30 Millionen Menschen werden in Rom erwartet, auch in den einzelnen Diözesen weltweit gibt es außertourliche Veranstaltungen zum Heiligen Jahr. Alles in allem jedenfalls wird der Kirche erhöhte Aufmerksamkeit zuteil, die sie nützen kann, um ihre Stimme zu erheben und Menschen zu erreichen, die nicht zum innersten Kern der Katholiken zählen.

Dieser wird in Europa immer kleiner. Ungeachtet dessen ist auch in diesem alten Kontinent eine Suche nach Orientierung und Wegweisung mit Händen zu greifen. Es gibt also, wenn man so will, eine Unzahl an anonymen „Pilgern der Hoffnung“ – Menschen, die sich nicht so bezeichnen würden, aber in diesem Sinne ansprechbar wären.

Dieses Heilige Jahr, dieses Jubeljahr ist eine Chance für die Kirche. Der gebrechliche Papst vor dem gewaltigen Portal kann hier als Sinnbild für geistige Kraft auch aus und in der Schwäche stehen.

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