Warum der Papst heute nach 25 Jahren wieder die Heilige Pforte öffnet

Sie heißt „Luce“ und hat blaue Kulleraugen: Die Figur erinnert eher an ein japanisches Comic als an ein Pilgersymbol. Dennoch stellt sie eine Premiere in der katholischen Kirche dar. Erstmals wurde für ein Heiliges Jahr, das nur alle 25 Jahre stattfindet, ein eigenes Maskottchen gestaltet – immerhin wird dieses Jubiläumsjahr seit dem Jahr 1300 gefeiert.
Heute um 19 Uhr wird Papst Franziskus die Heilige Pforte im Petersdom öffnen und mit diesem Ritual das Heilige Jahr einleiten. Die Gläubigen freuen sich, dass es endlich so weit ist. Genauso, wenn nicht sogar mehr freuen sich die Römer darüber, dass es am Ende doch gelungen ist, den Großteil der Baustellen zu schließen und die Sanierungsarbeiten doch noch rechtzeitig zu Ende zu bringen.
Anfang November war die Skepsis noch groß gewesen. Aber wie heißt es so schön, die Hoffnung stirbt zuletzt. Und wie könnte es anders sein bei einem so wichtigen Jahr wie das kommende. Ein Jubiläumsjahr, das noch dazu unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht.
Den Beginn des Heiligen Jahres 2025 hat Papst Franziskus wie seine Vorgänger auf die Heilige Nacht am 24. Dezember 2024 gelegt. Das hat einen tieferen Grund, sagt Thomas Prügl, Kirchenhistoriker an der Theologisch-katholischen Fakultät der Universität Wien. „Mit einem besonderen Jubeljahr sollte die Bedeutung der Geburt Christi, die ja jedes Jahr gefeiert wird, herausgehoben und manifestiert werden, daher wird dieses Datum heute noch als Beginn des Heiligen Jahres gesehen.“

Anlässlich des Heiligen Jahres gibt es mit „Luce“ erstmals ein Maskottchen.
Zugemauerte Pforte
Das geht in der katholischen Kirche mit ihren jahrhundertealten, tief verwurzelten Traditionen und Ritualen nicht sang- und klanglos vorüber: Papst Franziskus wird die Heilige Pforte, ein ansonsten von innen zugemauertes, schweres Portal mit Bronzereliefs im Petersdom, öffnen. Etwas zeitversetzt findet die Zeremonie in den drei Papstbasiliken Roms statt: In St. Johannes im Lateran, St. Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore befinden sich ebenfalls Heilige Pforten.
Diese während eines Rombesuchs im Heiligen Jahr zu durchschreiten, ist ein zentraler Bestandteil für Pilger. „Alle Feierlichkeiten sind mit viel Symbolik verbunden“, erklärt der Experte. „Das Bild, durch eine Tür zu gehen, die sonst geschlossen ist, hat ja eine Bedeutung, etwa das Durchgehen von Lebensabschnitten und neue Türen, die sich öffnen und man wagt etwas. Aber auch Jesus sagte: ‚Ich bin die Tür, die zum Leben führt.’ Die Tür, die zum verschlossenen Himmel führt, ist ein Zeichen von Heil, dass etwas weiter geht.“
Motto: Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“.
Abstand: Im Jahr 1300 wurde festgelegt, dass alle 100 Jahre ein Heiliges Jahr stattfinden soll. 1350 wurde auf 50 Jahre halbiert, 1475 auf 25 Jahre. Damit sollte jeder Mensch im Laufe seines Lebens die Möglichkeit haben, zumindest einmal nach Rom zu pilgern.
Außertourlich: Dem Papst steht es frei, jederzeit ein außerordentliches Heiliges Jahr auszurufen, um bestimmte Themen aufzugreifen. Zuletzt tat dies Papst Franziskus 2016 als „Jahr der Barmherzigkeit“ anlässlich des 50. Jahrestags des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Vollkommener Ablass
Der Besuch der vier Kirchen reicht nicht, um das Pilgerziel zu erreichen. Beichte, Kommunion und das Beten für ein vom Papst formuliertes Anliegen kommen dazu. Dieser dann gewährte, sogenannte „vollkommene Ablass“ verspricht nicht nur den Erlass der Sünden, sondern auch deren Vergebung im Fegefeuer. „In der Vorstellung der mittelalterlichen Menschen war das besonders attraktiv“, erklärt Prügl. „Es wurde dadurch die Reinigungszeit reduziert oder ganz aufgehoben, man kommt gleich in den Himmel.“ Mit einer Wallfahrt nach Rom im Heiligen Jahr feiert man „de facto die Hoffnung, dass einem die Schuld vergeben wird“, sagt Prügl. Übrigens: In der Jetztzeit kann man sich Vergebung und Ablass der Sünden auch übers Internet holen.

Der Papst schenkt im Heiligen Jahr auch den Häftlingen Aufmerksamkeit: Schon bei der diesjährigen Biennale von Venedig hatte der Vatikan seine Installationen im Frauengefängnis der Lagunenstadt errichtet. Und übermorgen wird der Papst als zweite Heilige Pforte die der Kirche im römischen Gefängnis von Rebibbia öffnen. Die Künstlerin Marinella Senatore hat zusammen mit einigen Inhaftierten eine Lichtinstallation vor der Gefängniskirche errichtet. Sie steht für Hoffnung und Gemeinschaft.
Werbung
„Der Gedanke des Heiligen Jahres erfreut sich auch heute großer Beliebtheit in katholischen Ländern – und besonders das Außergewöhnliche zieht die Menschen an“, sagt Kirchenhistoriker Prügl. Und der Vatikan trägt dazu sein Quäntchen bei. Prügl kann sich nicht erinnern, „dass das Heilige Jahr so populär beworben wurde wie diesmal“.
Das Maskottchen stammt von Künstler Simone Legno. „Luce“ heißt auf Deutsch „Licht“ und ist auch sonst mit Symbolik aufgeladen: Der Regenmantel soll auf die „Stürme des Lebens“ verweisen, die die Menschen ereilen können, die Farbe Gelb ist auch die Farbe des Vatikans und in Luces Augen spiegeln sich Jakobsmuscheln, das traditionelle Symbol der Pilger. Für sie stehen die Türen in Rom offen.
Kind aus Österreich eröffnet mit Papst Heilige Pforte
Die achtjährige Ludovica-Lavinia Piccioni aus Wels ist eines der zehn Kinder, die den Papst begleiten und in Gegenwart ihrer Eltern mit ihm als erste jenes Portal durchschreiten werden, welches normalerweise zugemauert und nur in besonderen Zeiten geöffnet ist.
Ludovica wird in ein oberösterreichisches Dirndl gekleidet sein, ebenso werden auch die anderen beteiligten Kinder aus aller Welt ihre landestypische Tracht tragen. Das Mädchen, Spross einer in Rom lebenden Auswandererfamilie, bereitet sich gerade in der deutschsprachigen Pfarre Santa Maria dell'Anima auf die Erstkommunion im Frühling vor. Geplant ist, dass die Kinder Blumen tragen und diese gegen Ende der Feier gemeinsam mit Papst Franziskus dem im Petersdom aufgestellten hölzernen Jesuskind in der Krippe darbieten werden. "Als die Einladung dazu kam, zögerten wir keine Sekunde - denn so eine Möglichkeit gibt es sonst nie wieder", so Ludovicas Eltern gegenüber Kathpress.
Mehr als 30 Millionen Pilger plus die normalen Besucher werden 2025 in Rom erwartet. Ist das zu viel für die Stadt, die ohnehin von Overtourism geplagt ist? Roms Gastronomie und Hotellerie jubeln schon jetzt. Verbraucherschutzorganisationen befürchten erhöhte Preise und schlugen einen „Carbonara-Pakt“ vor. Für römische Speisen wie Spaghetti Carbonara, Pasta all'Amatriciana oder Cacio e Pepe solle ein Preisdeckel von 12 Euro eingeführt werden.
Den Römern stellt sich aber vor allem eine Frage: Wird die Stadt einen Nutzen aus dem Jubiläum ziehen? Immerhin wurden 3,4 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Wird die Stadt in Zukunft lebenswerter sein? Werden die öffentlichen Verkehrsmittel effizienter sein? Werden die Müllberge vor allem in den Randvierteln verschwinden?
Die Päpste von einst würden sich wohl wundern, wie wenig Prachtvolles im Hinblick auf dieses Heilige Jahr geschaffen wurde. In einem unlängst erschienenen Artikel erzählte die Kunsthistorikerin Sandrina Bandera unter anderem von der Piazza del Popolo. Anlässlich des Jubiläums 1675 wurde der Architekt Carlo Rainaldi mit dem Bau der zwei fast gleichen Kirchen, die den Platz charakterisieren, beauftragt. „Ein Jubiläum war Anlass besonderer Großzügigkeit im Kunstbereich“, erklärt die Kunsthistorikerin dem KURIER. „Gleichzeitig dienten die grandiosen Darstellungen religiöser Szenen auch dazu, die Menschen zu berühren und so zum Glauben zu führen.“
Die Zeiten haben sich geändert. Mögen mehr Öffis, USB Schalter und Touchscreens bei den Bushaltestellen reizlos sein, dafür sind sie aber nützlich. Und es gibt etwas besonders Schönes, an dem man sich erfreuen kann: Nach der Sanierung, erstrahlt der Trevi-Brunnen wieder in seiner ganzen Schönheit.
.
Kommentare