Grüner Weg in die Opposition

Es ist nichts Neues, dass Koalitionen am Ende ihrer Amtsperiode zerbröseln. Die jeweiligen „Partner“ müssen sich für ihre Klientel aufplustern, um Kompromisse vergessen zu lassen. Doch so einen rapiden Zerfall wie jetzt hat man selten gesehen. Da hilft auch kein beschwichtigend auftretender Vizekanzler mehr.
Noch vor dem Alleingang Leonore Gewesslers – die pathetisch „Gewissen“ vor Recht stellt – hat Werner Kogler angekündigt, sich nicht mehr an Personalvereinbarungen zu halten: zum Beispiel, dass die ÖVP den EU-Kommissar stellt. Die Grünen mögen jetzt stark erscheinen – auch Teile der SPÖ applaudieren, aber wohl mehr aus taktischen Gründen.
Nichts geht mehr. Doch auch weitere grüne Regierungsbeteiligungen werden unwahrscheinlicher. Nicht nur die ÖVP, auch die Wiener SPÖ hat schlechte Erfahrungen mit Grün als Koalitionspartner gemacht. In Salzburg, Oberösterreich, Tirol flogen die Grünen bereits aus den Regierungen, in Vorarlberg könnte es bevorstehen.
Und man stelle sich nur vor, Freiheitliche hätten ihre Postenbesetzungen genauso kühl lächelnd durchgedrückt, wie die NGO-gestählte Gewessler. Da hätte es noch viel mehr Gelegenheit für U-Ausschüsse gegeben. Forschungsförderungsgesellschaft, Austro Control, Asfinag und das Umweltbundesamt haben nun grüne Spitzen, teils direkt aus dem Gewessler-Ministerium hineingehievt. Die Bestellung eines bis dato unbekannten Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand mit FPÖ-Unterstützung löste hingegen eine Staatskrise aus samt jahrelangen Verfahren gegen Politiker und Manager. (Dazu kam eine grüne Justizministerin, die der Abschaffung des Brief- und Redaktionsgeheimnisses tatenlos zuschaute.)
An der links-grünen Weltsicht zerschellten außerdem alle notwendigen Arbeitsmarktreformen von Martin Kocher, der als Ökonomieprofessor eigentlich wüsste, was zu tun wäre. Bei der Migrationspolitik konnte die ÖVP kleine Schritte setzen, aber nur gegen Druck und Häme von Grünen (und vielen Medien) sowie mit Gegenwind von EU-Politik und Höchstgerichten. Fast vergessen ist, dass die Grünen den eigenen Regierungschef Sebastian Kurz zum Rücktritt genötigt haben. Interessant ist derzeit auch die Rolle des Bundespräsidenten, dem die „Schönheit der Verfassung“ sonst doch so ein Anliegen ist.
Muss man nun Mitleid mit der ÖVP haben? Keineswegs. Hätte Kurz seinerzeit nicht Herbert Kickl „geopfert“, der mit Ibiza nichts zu tun hatte, und damit die türkis-blaue Koalition gesprengt, gäbe es diese wahrscheinlich noch heute. Kickl entwickelte einen biblischen Hass auf die ÖVP und hat sich und die FPÖ weiter radikalisiert, was wiederum Karl Nehammer zu ständiger Distanzierung zwingt. Daher schaut alles nach Rot-Schwarz-Pink in der nächsten Periode aus. Einfacher wird so eine „Ampel“ aber leider auch nicht.
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