Es ist ein Markenzeichen von österreichischer Landwirtschaft: Gentechnikfrei! Jahrzehntelang wurde damit Politik gemacht,
die genetische Beeinflussung von landwirtschaftlichen Produkten um jeden Preis zu verhindern. Freund und Feind sind klar definiert, und bei kaum einem anderen Thema gibt es so viel Einigkeit. Die einfache Message, die bei jedem und jeder tief verankert ist, lautet: Gentechnik ist böse, wir machen gute Landwirtschaft! Bis heute wird im Supermarkt mit gentechnikfreien Produkten wie mit einem Gütesiegel geworben. Österreich konnte sich damit international in einem eigenen Wirtschaftssegment positionieren. Kein Wunder also, dass das neue EU-Gentechnik-Gesetz die Wogen so hochgehen lässt.
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es allerdings keine Zweifel: Gentechnik, ja bitte! Denn die heutigen Verfahren zur genetischen Manipulation von Lebensmitteln haben seit den Anfangszeiten vor 40 Jahren riesige Sprünge gemacht. Forschende vergleichen die Methoden von damals gerne mit Schrotflinten, mit denen Erbgut verändert wurde. Heute würde man dank der CRISPR/Cas9-Technik präzise Skalpelle einsetzen. Schon im Juni haben sich die größten Wissenschaftseinrichtungen des Landes klar dafür ausgesprochen.
Im kollektiven Gedächtnis wird Gentechnik aber als etwas Unnatürliches wahrgenommen, ein künstlicher Eingriff in die Natur. Doch letztendlich macht der Mensch seit Jahrtausenden nichts anderes, als seine Lebensmittel zu kultivieren und neue Züchtungen hervorzubringen. Die aktuellen Methoden der sogenannten grünen Gentechnik (in Abgrenzung zur roten Technologie im medizinischen Einsatz und zur weißen in der Industrie) ermöglichen genau dasselbe nur in präziserer Form – deutlich schneller und ohne unerwünschte Zufallsergebnisse. In anderen Bereichen wie etwa in der Medizin wird die CRISPR/Cas9-Technologie längst eingesetzt. Für die Befürchtung von Kritikern, dass Mensch oder Tier durch den Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln Schaden nehmen könnten, oder dafür, dass Allergien ausgelöst werden, gibt es keinen Beleg.
Versuchen wir den Umkehrschluss: Was wäre die Konsequenz, wenn wir die neuen Technologien komplett ablehnen? Die Landwirtschaft müsste sich mühevoll über Jahre selbst Sorten heranzüchten, die sich den neuen klimatischen Bedingungen anpassen und so produktiv, widerstandsfähig und verträglich sind wie die manipulierten Konkurrenten. Österreich würde innerhalb kürzester Zeit den Anschluss an den Weltmarkt verlieren und erst recht in neue Abhängigkeiten rutschen. Keine Frage, die österreichische Landwirtschaft muss sich einen neuen Kniff überlegen – aber die Ablehnung von grüner Gentechnik ist nicht die Lösung.
laila.docekal@kurier.at
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