EU macht der Gentechnik alle Türen auf: Widerstand aus Österreich erwartet
Ist es der „Frontalangriff auf die österreichische Landwirtschaft“, wie ihn etwa die Grünen, oder die FPÖ - in seltener Einigkeit - befürchten, oder doch die dringend benötigte Waffe für die Landwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel, wie auch Biologen meinen?
Das EU-Parlament in Straßburg hat am Mittwoch dazu jedenfalls sehr klar Stellung bezogen.
Der Gesetzesentwurf zur neuen Gentechnik, kurz NGT, wurde mit kaum einer Änderung durchgewunken.
Österreicher geschlossen dagegen
Gegen den Widerstand etwa der österreichischen Parteien. SPÖ,ÖVP, Grüne und FPÖ stimmten in seltener Geschlossenheit gegen den Entwurf. Nur die Neos waren dafür.
Auch die Versuche der Skeptiker, etwa strengere Kontrollen für genmanipulierte Pflanzen, oder eine nur begrenzte Zulassung durchzusetzen, wurden abgeschmettert. Eine, wenn auch für Laien kaum verständliche Kennzeichnung auf den Lebensmitteln soll es aber geben. "Jetzt essen wir also auch bald in Österreich genmanipulierte Lebensmittel - ohne echte Kontrolle", so der erste Kommentar eines Gentechnik-Skeptikers zum Ergebnis.
"Nein" wird nicht erwartet
Erst vor wenigen Monaten von der EU-Kommission vorgelegt, hat der Gesetzesentwurf inzwischen die Fachausschüsse im EU-Parlament passiert und stand am Mittwoch, dort zur finalen Abstimmung. An ein komplettes „Nein“ wollen selbst die erbitterten Gegner des Gesetzes nicht mehr glauben.
Einige Änderungen aber wollte man in dem Gesetz zumindest noch verankern, bevor es in die Verhandlungen mit den EU-Staaten geht – die wichtigste, zumindest für Österreich. Das Land, das sich mit seinem hohen Anteil an biologischer Landwirtschaft zu Recht als Bio-Hochburg Europas versteht, soll zumindest die Möglichkeit bekommen, sich auch weiter im Alleingang als Gentechnik-frei zu definieren. Das zu erstreiten, wird wohl in den nächsten Monaten die Aufgabe von Landwirtschaftsminister Totschnig sein. Die Befürworter der neuen Gentechnik jedenfalls drängen zur Eile. Noch vor dem Sommer soll das Gesetz beschlosse sein.
Neue Gentechnik
Neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas sollen nach EU-Plänen künftig einfacher zum Einsatz kommen, derart bearbeitete Pflanzen können ohne die bisher üblichen umfangreichen Kontrollen zu Lebensmitteln verarbeitet und auf den Markt gebracht werden. Der Konsument soll zumindest durch einen Hinweis erfahren, dass er ein genmanipuliertes Produkt gekauft hat.
Klimawandel
Der Einsatz der neuen Techniken soll Nutzpflanzen hervorbringen, die etwa gegen Wassermangel oder Hitze widerstandsfähiger sind und so dem Klimawandel leichter standhalten können. Skeptiker dagegen verweisen darauf, dass der Großteil der bisherigen Entwicklungen wie bisher klar auf kommerzielle Vorteile, also etwa auf den vereinfachten Einsatz von Pestiziden, höhere Erträge, oder längere Haltbarkeit abzielt.
Bisher streng geregelt
Der Einsatz von Gentechnik ist in der EU streng geregelt. Pflanzen, die durch Genmanipulation entstanden sind, müssen aufwendige Prüfverfahren durchlaufen und dürfen, ebenso wie die daraus entstehenden Produkte, nur klar gekennzeichnet auf den Markt gebracht werden.
Die Genschere
Nun aber hat die Forschung neue Methoden der Genmanipulation entwickelt. Die wichtigste: Die auch als „Genschere“ bezeichnete CRISPR-Cas-Technik, deren Entdecker sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Anders als die früheren Methoden ermöglicht die „Neue Gentechnik“ vergleichsweise gezielte Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen, oder Tieren.
Von der Tomate zum Weizen
Neben der Medizin setzt die landwirtschaftliche Industrie Hoffnungen in die Neue Gentechnik. Hunderte Pflanzen, von der Tomate bis zum Weizen, sind in der Entwicklung, Patente eingereicht.
Um diese Entwicklung auch in Europa voranzutreiben, soll die Zulassung der dieser Produkte vereinfacht werden. Man unterscheidet zwischen zwei Stufen der Genmanipulation. Eingriffe, die als begrenzt bewertet werden, werden natürlichen Pflanzen gleichgestellt. Die Begründung: Genetische Veränderungen dieser Art könnten auch durch konventionelle Züchtung entstanden sein. Produkte, also Lebensmittel, die so hergestellt werden, müssen nicht mehr gekennzeichnet werden.
Keine Gentechnik-Freiheit
Genau diese Kennzeichnung aber wollen die Österreicher beibehalten. „Es kann doch nicht sein, dass einer Region untersagt wird, sich als Gentechnik-frei zu bezeichnen“, ärgert sich der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz. Für heimische Bio-Bauern wäre das eine akute Bedrohung ihrer Existenz.
Lebensmittel mit Gentechnik müssten weiterhin gekennzeichnet werden und auch die entsprechenden Prüfverfahren durchlaufen: Da sind sich Österreichs EU-Parlamentarier aus allen Parteien einig. Schließlich ließen sich bei der großflächigen Anwendung einer so neuen Technik viele Risiken nicht leichtfertig ausschließen. Auch das Argument, dass die Produkte der Genmanipulation auch auf natürlichem Weg entstanden sein könnten, müsse in jedem Einzelfall genau überprüft werden.
Schnell und fahrlässig
Es geht um Grünstreifen zum Schutz der Bio-Landbauern, um regelmäßige Überprüfung der Zulassung für die genmanipulierten Produkte, um ein Verbot von Patentrechten für Saatgut: Unzählige Details, um die beim Gentechnik-Gesetz seit Monaten gerungen wird. Die allermeisten Bedenken hat das EU-Parlament jetzt einmal aus dem Weg geräumt. Grundsätzlich aber geht es für die Gentechnik-Skeptiker um ein zentrales Problem: Das Gesetz werde viel zu schnell und viel zu fahrlässig durch die EU-Institutionen durchgepeitscht.
Blockade der EU-Staaten
Im EU-Rat allerdings, dem Gremium der Mitgliedsstaaten, dürfte aber ohnehin vorerst einmal Schluss sein. Dort hat sich rund um Deutschland und eben Österreich eine starke Gruppe an Gentechnik-Gegnern formiert. Ob die allerdings hält, bleibt ungewiss: Gerade in Deutschland machen sich auch bürgerliche CDUler für die Neue Gentechnik stark. Ohne Deutschland aber, wissen auch die Österreicher bei der EU, wird die Blockade nicht zu halten sein.
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