Auf Kosten Hunderter Menschenleben pro Tag rücken die russischen Streitkräfte im Donbass langsam, aber stetig vor, stehen nur noch wenige Kilometer vor der logistisch wichtigen Stadt Pokrowsk. Fällt diese Stadt, droht der ukrainischen Front im Donbass der Zusammenbruch und damit das Erreichen eines der Kriegsziele des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Drohnen und Raketen beschießen in tödlicher Regelmäßigkeit die ukrainische Energie-Infrastruktur, seit Kriegsbeginn konnte die ukrainische Flugabwehr nur ein Viertel aller russischen Raketen abwehren.
Ein Grund dafür ist die schleppende, oft verspätete und meist zu geringe Unterstützung durch die westlichen Verbündeten Kiews. Einmal mehr zeigt sich, dass Unterstützungszusagen aus dem Westen mit Vorsicht zu genießen sind. Ein Faktum, das man auch von ukrainischen Soldaten an der Front hört. Und so stellt sich in Kiew die Frage, wie stabil ein Friede wäre, wäre er einmal geschlossen. Wer gibt die Sicherheitsgarantien? Putin und seine Nachfolger wohl kaum. Gleichzeitig ist nicht absehbar, dass die Ukraine das Blatt auf dem Schlachtfeld wenden kann. Zwar ist die Geschichte voll von überraschenden Wendungen (siehe etwa Preußen im Siebenjährigen Krieg), doch das Prinzip Hoffnung – wenn auch gepaart mit unermüdlichen Versuchen, für mehr Unterstützung zu werben, unbändigem Widerstandswillen und Kreativität am Schlachtfeld – allein ist zu wenig.
Russland wiederum dürfte nach dem Krieg ein massives Wirtschaftsproblem haben. Etwa 3,5 Millionen Russen arbeiten im Schichtbetrieb in der Rüstungsindustrie, das Land setzt voll auf Kriegswirtschaft – und diese umzustellen, wird mit jedem Kriegstag eine massivere Herausforderung. Das wäre für Russland ein Grund, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Andererseits wird in der russischen Logik der „Sieg gegen die Ukraine und den kollektiven Westen“ größer, je höher die Verluste sind. Es ist nicht auszuschließen, dass es in naher Zukunft zu ersten Friedensgesprächen kommt. Eine rasche und vor allem nachhaltige Lösung à la Donald Trump zu erwarten, ist allerdings nicht realistisch. Dafür misstraut die Ukraine Russland zu sehr. Zu Recht.
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