Ein Dammbruch
Für Frankreich ist das die größte politische Zäsur seit 1945, ein Dammbruch. Seit 1972, seit mehr als 50 (!) Jahren also, versucht die Familie Le Pen das Land mit ihrer nationalistischen und hetzerischen Weltsicht für sich zu gewinnen. Jetzt haben sie es fast geschafft – nicht nur, weil Marine Le Pen die weichgespülte Variante ihres antisemitischen und offen rassistischen Vaters spielt. Auch, weil Macron ihr ungeschickt in die Hände spielt: Nötige Reformen zog er zwar durch, aber in völliger Abgehobenheit. Und die Grandeur, mit der er Unerfüllbares versprach, ließ die Ränder erstarken.
Die Folgen daraus werden in ganz Europa zu spüren sein. Innerhalb Frankreichs will Le Pen den Dreiklang von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verstummen lassen, sie trommelt stattdessen „nationalen Vorrang“ – bald wird es nicht mehr reichen, in Frankreich geboren zu sein, um Franzose sein; und wer die doppelte Staatsbürgerschaft hat, steht unter Generalverdacht, samt Berufsverbot. Auch in Brüssel wird der RN alles torpedieren, woraus sich politisch Kapital schlagen lässt. Also fast alles.
Das düstere Bild vom Abstieg
Die Gräben in Europa wird das vergrößern, die sind ohnehin schon tief. Überall erzählen Populisten erfolgreich vom Abstieg Europas, von der großen Gefahr von außen, und das mit einer hämischen Freude. Dass Frankreich, die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, so gut dasteht wie kaum ein anderes Land, ist da egal. Die Stimmung zählt, auch auf dem Stimmzettel.
Das vernebelt den Blick auf wirkliche Gefahren, doch das ist gewollt. Seit Jahrzehnten schickt Russland Trolle aus, die Europa vom eigenen Untergang erzählen, füttert Parteien wie den RN, die für ihn als tumbe Erfüllungsgehilfen arbeiten. Dass Europa nationale Egos hintangestellt, sich dem größeren Ganzen verschrieben hat, war schon immer die größte Bedrohung für Putin.
In Frankreich hat er nun die erste große Schlacht gewonnen. Es wird wohl nicht die letzte bleiben.
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