Europa im Krisenmodus: Wir sind nur noch Getriebene
Wolfgang Unterhuber
05.02.24, 17:16Die Lage ist besser als die Stimmung. Global betrachtet. Denn die Weltwirtschaft wird auch in diesem Jahr wachsen. Rund um die drei Prozent sollen es laut OECD und Internationalem Währungsfonds IWF sein. Das ist, wenn man es recht bedenkt, eine überraschend gute Prognose.
Denn Schlimmes war befürchtet worden. Etwa, dass die USA in eine Rezession schlittern könnten. Die Probleme amerikanischer Regionalbanken im Frühjahr und der Kollaps der Silicon-Valley-Bank entpuppten sich so wie übrigens das Debakel bei der Credit Suisse letztendlich als Einmalereignisse.
Auch eine andere Vorhersage hat sich als falsch erwiesen. So orakelten Experten, dass die Versorgung vieler sogenannter Schwellenländer mit Weizen aus der Ukraine zusammenbrechen werde. Hungersnöte und Revolutionen würden die Folge sein.
Nun: Schwellenländer wie Indien sind derzeit globale Wachstumstreiber. Wobei natürlich die Ausgangsbasis in einem Land mit ein paar Hundert Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze eine andere ist als in den westlichen Industrienationen. Indien nutzt übrigens den Krieg in der Ukraine und die europäischen Sanktionen, um sich mit billigem russischen Öl einzudecken, das man veredelt dann zu einem guten Teil in die ganze Welt verschifft.
Russland profitiert ebenfalls vom Krieg. Weil die Waffenindustrie der Motor des Wachstums ist. Wie sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen im März 2022 doch gleich: „Die Sanktionen beißen ganz hart.“
Das bringt uns nach Westeuropa, wo das Wachstum im Nullkommajosef-Bereich liegt. Hier hat die Wirtschaft die Zinserhöhungen weniger gut verkraftet als in den USA. Und speziell die deutsche und auch österreichische Wirtschaft ist wegen ihres hohen Industrieanteils mehr von globalen Schwankungen betroffen als andere Länder. Wer mit dauerhaft viel höheren Energiepreisen kalkulieren muss als die Konkurrenz, ist eben stark im Nachteil.
Selbst bei positiver Sicht der Dinge muss man daher festhalten, dass sich der Euroraum in einer ökonomischen Lethargie befindet. Die Europäische Zentralbank muss weiterhin die Konjunktur mittels hoher Zinsen drücken. Denn der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen. Dazu kommen Strukturmängel wie Bürokratie und Fachkräftemangel.
Das Hauptproblem aber ist, dass Europa ständig im Krisenmodus ist. Zunächst war Covid (gut, das war überall ein Problem) und dann kam der Ukraine-Krieg samt seinen Folgen.
Da bleibt keine Zeit und immer weniger Geld für große Visionen wie eine Energiewende, die ja auch einen ökonomischen Turbo zünden sollte. Gemessen an all dem geht es uns noch gut. Dass die Stimmung aber so schlecht ist, liegt daran, dass wir in Europa nicht mehr Herr der Lage, sondern nur noch Getriebene sind.
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